Das Denkmal soll die homosexuellen Opfer des Nationalsozialismus ehren und zugleich »ein beständiges Zeichen gegen Intoleranz, Feindseligkeit und Ausgrenzung gegenüber Schwulen und Lesben setzen«. Es wurde von Michael Elmgreen (Dänemark) und Ingar Dragset (Norwegen) gestaltet und am 27. Mai 2008 feierlich der Öffentlichkeit übergeben. Das Denkmal zeigt in einem Fenster einen Film mit einer gleichgeschlechtlichen Liebesszene. Der aktuelle Film stammt von der israelischen Künstlerin Yael Bartana.
Denkmal
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zugänglich
ORT
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10117 Berlin
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Das Künstlerduo Michael Elmgreen und Ingar Dragset
Das Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen wurde von Michael Elmgreen (Dänemark) und Ingar Dragset (Norwegen) entwickelt. Das Künstlerduo lebt in Berlin und arbeitet seit 1995 zusammen.
In der Deutung durch Elmgreen & Dragset sollte ein Denkmal nicht statisch sein und als endgültige Aussage begriffen werden, sondern einen lebendigen Charakter aufweisen und dynamischen Veränderungen unterliegen. Die zwei Künstler haben – wie so oft in ihren Arbeiten – ihre ästhetischen Vorstellungen eng an die unmittelbare Umgebung des Denkmals angelehnt. In diesem Falle übernimmt ihre skulpturale Umsetzung die formale Gestaltung des Holocaust-Mahnmals auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Doch die dreidimensionale Form der Eisenmanschen Stelen wird bei Elmgreen & Dragset durch ein zusätzliches Element ergänzt: Der Betrachter kann durch ein kleines, quadratisches Fenster einen Film anschauen, in dem sich zwei Männer umarmen und endlos küssen. Durch den eindeutigen Bezug auf das Holocaust-Mahnmal scheint das Denkmal auszudrücken, dass wir als Menschen zwar alle gleich sind, uns aber dennoch voneinander unterscheiden. Hierin besteht die Herausforderung unserer Toleranz und Akzeptanz.
Geschichte des Homosexuellen-Denkmals
Im nationalsozialistischen Deutschland fand eine Homosexuellen-Verfolgung ohnegleichen in der Geschichte statt. 1935 ordneten die Nationalsozialisten die umfassende Kriminalisierung männlicher Homosexualität an. Dazu wurden die im § 175 des Strafgesetzbuches vorgesehenen Bestimmungen gegen homosexuelles Verhalten erheblich verschärft und ausgeweitet. Bereits ein Kuss unter Männern konnte nun zu Verfolgung führen. § 175 bedeutete Gefängnis oder Zuchthaus. Es gab über 50.000 Verurteilungen. Teilweise konnten die NS-Behörden die Kastration Verurteilter erzwingen. Mehrere tausend Schwule wurden wegen ihrer Homosexualität in Konzentrationslager verschleppt. In Konzentrationslagern – wie Dachau bei München – mussten sie zur Kennzeichnung einen Rosa Winkel an der Häftlingskleidung tragen. Ein großer Teil von ihnen überlebte die Lager nicht. Sie starben aufgrund von Hunger, Krankheiten und Misshandlungen oder wurden Opfer gezielter Mordaktionen.
Die Nationalsozialisten haben die Lebenswelten von Schwulen und Lesben zerschlagen. Weibliche Homosexualität wurde – außer im annektierten Österreich – nicht strafrechtlich verfolgt. Sie galt den Nationalsozialisten als weniger bedrohlich. Gerieten lesbische Frauen dennoch in Konflikt mit dem Regime, waren auch sie Repressionen ausgesetzt. Schwule und Lesben lebten in der NS-Zeit eingeschüchtert und unter stetem Zwang zur Tarnung. Lange Zeit blieben die homosexuellen Opfer des Nationalsozialismus aus der Gedenkkultur beider deutscher Nachkriegsstaaten ausgeschlossen. Hier wie dort wurden Schwule noch jahrzehntelang strafrechtlich verfolgt. In der Bundesrepublik Deutschland galt der § 175 unverändert bis 1969 fort. In vielen Teilen der Welt ist homosexuelle Liebe noch immer strafbar.
Aus seiner Geschichte heraus hat Deutschland eine besondere Verantwortung, Menschenrechtsverletzungen gegenüber Schwulen und Lesben entschieden entgegenzutreten. In vielen Teilen dieser Welt werden Menschen wegen ihrer sexuellen Identität heute noch verfolgt, ist homosexuelle Liebe strafbar und kann ein Kuss Gefahr bedeuten.
Am 12. Dezember 2003 beschloss der Deutsche Bundestag den Bau des Denkmals für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen.
»Die Bundesrepublik Deutschland errichtet in Berlin ein Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen. Mit diesem Gedenkort wollen wir die verfolgten und ermordeten Opfer ehren, die Erinnerung an das Unrecht wachhalten und ein beständiges Zeichen gegen Intoleranz, Feindseligkeit und Ausgrenzung gegenüber Schwulen und Lesben setzen.«
Die Initiatoren waren die Initiative »Der homosexuellen NS-Opfer gedenken« sowie der Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD). Der Gedenkort wird im Auftrag der Bundesregierung von der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas betreut.
Chronologie
1992/1993
Im Zusammenhang mit der Diskussion um das Denkmal für die ermordeten Juden Europas gibt es erste Forderungen und Aktionen zugunsten eines nationalen Gedenkorts für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen.
1995
Veröffentlichung der Denkschrift »Der homosexuellen NS-Opfer gedenken«.
25. Juni 1999
Beschluss des Bundestages zur Errichtung des Denkmals für die ermordeten Juden Europas – verbunden mit der Verpflichtung, »der anderen Opfer des Nationalsozialismus würdig zu gedenken«.
3. Mai 2001
Gemeinsamer Aufruf der Initiative »Der homosexuellen NS-Opfer gedenken« sowie des Lesben- und Schwulenverbandes in Deutschland (LSVD) für »ein Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen«, der u. a. die Unterstützung von Paul Spiegel, Romani Rose, Günter Grass, Christa Wolf und Lea Rosh gewinnt.
17. Mai 2002
Der Bundestag beschließt die gesetzliche Rehabilitierung der Opfer des § 175 im Nationalsozialismus.
12. Dezember 2003
Beschluss des Deutschen Bundestages für den Bau des Denkmals.
2005/2006
Durchführung des künstlerischen Wettbewerbs zur Gestaltung des Gedenkorts.
4. Juni 2007
Einigung zwischen der Bundesregierung, den Initiatoren und den Künstlern Elmgreen & Dragset auf Weiterentwicklung ihres prämierten Entwurfs.
27. Mai 2008
Übergabe an die Öffentlichkeit.
26. Januar 2012
Neuer Film im Denkmal (Künstler: Gerald Backhaus, Bernd Fischer und Ibrahim Gülnar).
7. Oktober 2014
Der ursprüngliche Film der Künstler Elmgreen & Dragset wird bis zur Ausschreibung eines neuen Filmwettbewerbes im Denkmal gezeigt.
3. Juni 2018
Anlässlich des zehnjährigen Bestehens des Denkmals für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen sprach mit Frank-Walter Steinmeier erstmals ein Bundespräsident an diesem Gedenkort. Zugleich ist fortan ein neuer Film der israelischen Multimediakünstlerin Yael Bartana im Denkmal zu sehen.
Film im Denkmal
Integraler Bestandteil des Entwurfes von den Künstlern Elmgreen & Dragset ist eine filmische Präsentation, die durch eine Öffnung im Denkmal zu betrachten ist. Bereits am 4. Juni 2007, vor der feierlichen Eröffnung, kündigte der damalige Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Staatsminister Bernd Neumann, nach Zustimmung des LSVD sowie der Künstler eine Fortentwicklung der Denkmalskonzeption an: Demnach soll alle zwei Jahre der Film gewechselt werden, wobei eine Jury von Expertinnen und Experten die Entscheidung über den neugezeigten Film treffen soll. Seit der Eröffnung waren bisher drei Filme von unterschiedlichen Künstlern im Denkmal zu sehen.