Ereignisse und Erinnerung«. Eingangs zitierte er Marion Gräfin Dönhoff (1909–2002) aus ihrem Buch »Kindheit in Ostpreußen« (1988): »Wenn ich auf die Frage nach meiner Heimat auch heute, ohne nachzudenken, antworte: ›Ostpreußen‹ und nicht Hamburg, wie ich doch seit über vierzig Jahren lebe und gern lebe, dann gibt es dafür vor allem einen Grund: Mir fehlen die Landschaft, die Natur, die Tiere jener untergegangenen Welt.« und führte fort: »Wer von den ostpreußischen Juden, die überhaupt überlebt haben, sich seiner Heimat zwischen Memel und Neidenburg, zwischen Heiligenbeil und Eydtkuhnen erinnert, fühlt dasselbe – nur lebt kaum einer von ihnen noch in Deutschland; sie sind über die ganze Welt verstreut.«
Anschließend führte er in die Geschichte der jüdischen Ostpreußen, vor allem in Königsberg, bis 1933 ein, berichtete über ihre Ausgrenzung durch das nationalsozialistische Regime und die Ereignisse der »Kristallnacht« im November 1938, vor 80 Jahren. Den Schwerpunkt seiner Ausführungen bildeten die deutsche Besatzungsherrschaft in Minsk zwischen Sommer 1941 und 1944 sowie die Deportation von 630 jüdischen Kindern, Frauen und Männern aus der Provinz Ostpreußen am 24. Juni 1942 nach Minsk, wo sie zwei Tage nach ihrer Ankunft im Wald von Blagowschtschina bei Malyj Trostenez erschossen wurden. Nur wenige Juden überlebten bis Kriegsende in ihrer ostpreußischen Heimat, sie wurden als »Deutsche« aus den nunmehr sowjetischen und polnischen Teilen Ostpreußens vertrieben.
In beiden deutschen Nachkriegsstaaten wird dieser Opfer des Holocaust nicht gedacht. Erst durch die Erinnerungen von Michael Wieck (1990) und Nechama Drober (2007) aus Königsberg findet das Thema eine breitere Öffentlichkeit. Auch am Ort ihrer Vernichtung bei Minsk gab es lange kein Gedenken an die Opfer des Holocaust aus Weißrussland und dem Deutschen Reich. Erst nach der Öffnung der Grenzen Anfang der 1990er Jahre sorgen weißrussische und deutsche Initiativen dafür, dass Namen und Lebensgeschichten der Opfer ermittelt werden. Auch im russischen Königsberger Gebiet wird seitdem die deutsche und auch die deutsch-jüdische Vergangenheit neu entdeckt.
Seit 2015 steht auf dem Gelände des ehemaligen jüdischen Friedhofs in Minsk auch ein Gedenkstein für die jüdischen Ostpreußen. Am 29. Juni dieses Jahres weihten der weißrussische Präsident Lukaschenka sowie seine Amtskollegen aus Deutschland und Österreich eine Gedenkanlage auf den Massengräbern im Wald von Blagowschtschina ein – dort, wo die 1942er Transporte aus dem Reich endeten und mindestens 30.000 weißrussische Juden und Nichtjuden erschossen wurden. Bislang fehlt es dort allerdings an historischer Aufklärung.
Zum Schluss seines Vortrags stellte Uwe Neumärker die Frage nach der »Zukunft der Erinnerung« und regte ein Gedenkbuch für die durch die Nationalsozialisten vertriebenen und ermordeten Juden aus Ostpreußen sowie die wenigen Überlebenden an, das in Zusammenarbeit mit der Stiftung Königsberg und dem Ostpreußischen Landesmuseum erarbeitet werden könnte.