Die Aufstellung der Ausstellung in Aschaffenburg war bereits seit längerem geplant. Im Vorlauf war es möglich, die Stadt beziehungsweise die Region angemessen in der Ausstellung zu repräsentieren. Zwei neu erstellte Fallgeschichten dokumentieren die Verbrechen eines Fliegenden Standgerichtes gegen Kriegsende anhand der Biographien der hingerichteten Soldaten Adalbert Kapperer und Friedel Heymann. Die Aufnahme der beiden Geschichten in die seit 2007 laufende Wanderausstellung der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas ist der historischen Arbeit von Elisabeth Kohlhaas, Referentin für Bildungsarbeit bei der Stiftung Sächsische Gedenkstätten im Dokumentations- und Informationszentrum Torgau zu verdanken. Mit zahlreichen Fotos, Tagebuchaufzeichnungen, Briefen und Akten wird das Schicksal der Opfer dokumentiert.
Vom Schicksal Friedel Heymanns zeugen zwei erschütternde Bilder; amerikanische Soldaten nahmen seinen in der Innenstadt hängenden Leichnam nach der Einnahme Aschaffenburgs ab. Heute erinnern ein Stolperstein, eine Plakette und seit 2016 auch eine Stele in der Fußgängerzone, am Ort seiner Hinrichtung, an ihn.
Adalbert Kapperer, 1920 in Schweinheim geboren, war Mitglied eines Panzervernichtungstrupps, das ihn im Frühjahr 1945 nach Böhmen zog. Aufgrund einer angeblichen »Dienstpflichtverletzung« wurde er am 20. April 1945 nahe Karlsbad hingerichtet. Sein »Vergehen«: Als Leiter einer Marschgruppe kaum genesener Soldaten hatte der selbst erkrankte Kapperer seinen erschöpften Männern eine Nachtruhe gewährt. Ein »fliegendes Standgericht« verurteilte ihn zum Tode. Sein Bruder Walter Kapperer war Gast der Eröffnungsveranstaltung.
Die Ausstellung ist noch bis 4. November 2018 (Dienstag bis Sonntag von 9 bis 16 Uhr) in Aschaffenburg zu sehen. Öffentliche Führungen werden sonntags und an Feiertagen um 11 Uhr angeboten. Begleitend finden Vorträge und eine wissenschaftliche Tagung statt.
So findet am Donnerstag, 18. Oktober, 19 Uhr, in der Volkshochschule in Aschaffenburg der Vortrag von Elisabeth Kohlhaas, Referentin für Bildungsarbeit bei der Stiftung Sächsische Gedenkstätten im Dokumentations- und Informationszentrum Torgau über Wehrmachtsjustiz im Dienste des »totalen« Krieges: Die Todesurteile gegen die Aschaffenburger Friedel Heymann und Adalbert Kapperer, statt. Die Wissenschaftliche Tagung mit Elisabeth Kohlhaas, Claudia Bade (Hamburg) und Josef Pechtl, Förderkreis Haus Wolfsthalplatz mit dem Thema: »Was damals Recht war« Wehrmachtsjustiz als Herrschaftsinstrument des NS-Staates wird am 19. Oktober 2018, 9 bis 16 Uhr, im Martinushaus durchgeführt. Magnus Koch wird am 26. Oktober 2018, 19 Uhr im Martinushaus über »Da hielt ich es einfach nicht mehr aus« Deserteure der Wehrmacht (1939-1945) sprechen.
Hintergrund:
Die Ausstellung informiert über Unrecht und Willkür der NS-Militärjustiz und dient der gesellschaftlichen Verankerung der erst zwischen 2002 und 2009 erfolgten rechtlichen Rehabilitierung ihrer Opfer. Insgesamt wurden mindestens 22.000 Menschen hingerichtet, unzählige andere starben in Lagern oder in Strafeinheiten.
Ausgehend von einer Initiative ihres Beirates und gemäß ihrem gesetzlichen Auftrag, aller Opfer des Nationalsozialismus zu gedenken, hat die Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas eine Wanderausstellung zur NS-Militärjustiz erarbeitet, die seit 2007 in über 40 deutschen, österreichischen und belgischen Orten gezeigt wurde. Für ihre erneute Präsentation wurde die Ausstellung um einen Überblick der erinnerungspolitischen Entwicklungen der letzten zehn Jahre ergänzt.