von Adam Kerpel-Fronius, wiss. Mitarbeiter der Stiftung Denkmal
Ich nahm an der Konferenz teil, um bei einer Podiumsdiskussion über das Verhältnis zwischen Geschichtswissenschaft und Medien in den Visegrád-Staaten über die Situation in Ungarn zu sprechen.
Zuerst berichtete der polnische Politikwissenschaftler und Publizist Michał Sutowski über Kontinuitäten und Brüche des historischen Diskurses in Polen. Seiner Meinung nach seien die liberalen Intellektuellen bereits seit langer Zeit den nationalen Kräften gegenüber in der Defensive. Die frühere Bereitschaft der polnischen Eliten, miteinander den Dialog zu pflegen, habe in den letzten Jahren massiv abgenommen.
Annamaria Orla-Bukowska, Sozialanthropologin und Professorin der Universität Krakau, sprach mehrere historische Themen an, die in Polen sehr hohen symbolischen Wert haben und oft politisch instrumentalisiert werden. Als Beispiel nannte sie unter anderem den Kampf antikommunistischer Partisanen nach dem Zweiten Weltkrieg (»Żołnierze wyklęci«), deren historische Rolle oft beschönigt werde. Zur Sprache kamen auch die Kontroversen um das Museum des Zweiten Weltkrieges in Danzig und um das – letztlich entschärfte – sog. Holocaustgesetz, das es ermöglicht hätte, kritischen Historikern mit Strafverfolgung zu drohen.
Ich konzentrierte mich in meinen Ausführungen auf vier Themenschwerpunkte, bei denen sich die ungarische Gesellschaft in mehrere Lagern spaltet: den Friedensvertrag von Trianon nach dem Ersten Weltkrieg, die historische Figur des Reichsverwesers Horthy und seine Rolle im Zweiten Weltkrieg, die ungarische Mitverantwortung für den Holocaust sowie den ungarischen Aufstands von 1956. Angesichts eines stetig wachsenden Drucks der Regierung, ihre beschönigende Sicht auf die ungarische Geschichte durchzusetzen, bleibe es oft genug an kritischen Journalisten hängen, überhaupt erst die Fakten zu benennen. Doch die Lage des unabhängigen Journalismus in Ungarn wird immer prekärer, die Sphäre der kritischen Öffentlichkeit immer enger, und so werde es immer schwieriger, den von offizieller Seite propagierten Geschichtsmythen überhaupt etwas entgegenzusetzen.
Moderiert wurde die Podiumsdiskussion von der Journalistin Isabelle Daniel (n-ost).