von Adam Kerpel-Fronius, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Stiftung
Eines der wichtigsten und faszinierendsten Zeugnisse der jüdischen Vergangenheit von Budapest ist der jüdische Friedhof in der Salgótarjáni utca. Er wurde 1874 eröffnet und ist bei weitem nicht der größte der Stadt: bereits zwei Jahrzehnte später reichten seine Kapazitäten nicht mehr aus, so dass 1892 der bis heute betriebene jüdische Friedhof in der Kozma utca eröffnet werden musste.
Die Gründung des Friedhofes fiel in die Zeit, als große Teile des Budapester Judentums, angeregt durch den liberalen Zeitgeist in Österreich-Ungarn, den Weg der Verbürgerlichung einschlugen und einen steilen sozialen Aufstieg schafften. Ähnlich wie auf dem Jüdischen Friedhof Berlin-Weißensee ließen besonders wohlhabende Familien – übrigens in einem klaren Bruch mit jüdischen Traditionen – Krypten und Mausoleen auf dem Friedhof errichten. Die dominanten Bauwerke des Friedhofs sind im Jugendstil entstanden, religiöse Symbole des Judentums wurden mit Motiven aus der ungarischen Folklore vermengt.
Nach dem Ende der Schlacht um Budapest im Winter 1945 wurden die meisten Opfer aus dem Budapester Ghetto auf diesem Friedhof in Massengräbern bestattet. 2002 wurde ein Gedenkstein für die Opfer des Ghettos eingeweiht. Doch in der Zwischenzeit wurde der Friedhof nur noch selten benutzt und spätestens ab den 1960er Jahren befand er sich im Niedergang. Während weite Teile des Friedhofs zuwuchsen, machten sich Grabräuber an den Mausoleen zu schaffen. Die enormen Schäden sind bis heute überall sichtbar. Erst um die Jahrtausendwende wurde der Friedhof unter Denkmalschutz gestellt. Mittlerweile wirkt der Friedhof wieder etwas gepflegter und aufgeräumter.
Um zum Friedhof zu gelangen, holt den Besucher die Gegenwart ein. Ganz in der Nähe ist der Josefstädter Bahnhof, von dem aus 1944 Deportationszüge abfuhren. In den letzten Jahren ließ die ungarische Regierung das Bahnhofsgelände unter dem Namen »Haus der Schicksale« (ungarisch: »Sorsok Háza«) zu einer neuen Holocaust-Gedenkstätte umgestalten. Nach Kritik von ungarischen und internationalen jüdischen Organisationen steht sie trotz markanter Architektur bis heute leer, es fehlt sogar ein Konzept. Kritiker befürchten, dass die ungarische Mitverantwortung für den Holocaust relativiert werden soll, zumal es bereits seit 2004 das Holocaust-Gedenkzentrum gibt. Dort traf ich mich wenige Tage nach meinem Besuch auf dem Friedhof mit ungarischen Kollegen, um einen Vortrag über die Aufarbeitung der NS-Geschichte in Deutschland zu halten und uns über aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen auszutauschen.