Am Donnerstag, den 10. September 2015, luden die Stiftungen Denkmal für die ermordeten Juden Europas und Flucht, Vertreibung, Versöhnung zu einem Zeitzeugengespräch mit der Überlebenden Ruth Michel (*1928) in den Ort der Information des Denkmals für die ermordeten Juden Europas.
Vor mehr als 80 Gästen gab Uwe Neumärker, Direktor der Stiftung Denkmal, eine Einführung in das Thema. Daran schloss sich der Lebensbericht Ruth Michels, die im Gespräch mit dem Moderator Ulrich Deppendorf von ihrer Kindheit in Königsberg und im polnischen Mikuliczyn erzählte. In Mikuliczyn erlebte sie mit ihrer Familie 1939 den Einmarsch der Roten Armee und 1941 die Besetzung durch die Wehrmacht. Ihr Vater, der Ruth Michel im Alter von zwölf Jahren die Verantwortung für die Mutter und die Schwester übertrug, wurde im Dezember 1941 zusammen mit allen anderen jüdischen Einwohnern der Stadt verhaftet und im Wald zwischen Mikuliczyn und Tatarów erschossen. Sie berichtete, wie sie als polnische Zwangsarbeiterin getarnt, mit ihrer Mutter und Schwester nach Königsberg gelangte, wo sie die alliierten Bombenangriffe im Sommer 1944 und die sowjetische Eroberung im Frühjahr 1945 miterlebte. Ende 1945 flohen sie gemeinsam über Stettin und Berlin nach Frankfurt am Main. Mit Blick auf die Zeit der Verfolgung resümierte die 87-Jährige, dass es nicht nur Mut und Tatkraft gewesen seien, die zum Überleben geführt hätten, sondern vor allem Glück. Für die eindrucksvolleSchilderung ihrer Erlebnisse bedankten sich nach der Veranstaltung viele der Gäste noch einmal persönlich bei Ruth Michel.
Am folgenden Tag veranstaltete die Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Zusammenarbeit mit der Schwarzkopf-Stiftung Junges Europa ein Gespräch zwischen der Holocaustüberlebenden und Schülern verschiedener Berliner Gymnasien im Ort der Information. Etwa 60 Jugendliche folgten gespannt den Schilderungen Ruth Michels und stellten interessierte Nachfragen.