Ilse Heinrich wurde am 17. Juli 1924 in Hornstorf geboren. Mit dem Tod ihrer Mutter im Jahr 1930 begann für Ilse Heinrich eine schreckliche Leidenszeit. Die zweite Frau ihres Vaters zwang sie nach Beendigung ihrer Schulzeit, auf einem nahe liegenden Bauernhof zu arbeiten. Immer wieder flüchtete sie von dort, weil sie sich in der Stadt ein eigenes Leben aufbauen wollte. Schnell geriet sie so in das Visier der nationalsozialistischen Behörden, wurde verhaftet, als »arbeitsscheu« klassifiziert und musste ab 1943 Zwangsarbeit im Güstrower Schloss leisten. Im August 1944 wurde sie nach Ravensbrück deportiert. Sie überlebte das Konzentrationslager und entging dem Todesmarsch, doch mit der endgültigen Befreiung durch die Rote Armee erlitt sie den nächsten Schicksalsschlag: Sie fiel einer Vergewaltigung zum Opfer. Nach mehreren Jahren ohne ein festes Zuhause »begann« ihr Leben erst 1951 in Berlin, wo sie ihren späteren Mann kennenlernte und eine Familie gründete. Von Anfang an pflegte Ilse Heinrich einen offenen Umgang mit ihrer Verfolgungsgeschichte und begann schon früh, sich als Zeitzeugin zu betätigen.
2012 berichtete Ilse Heinrich der Stiftung Denkmal im Rahmen des Interviewprojektes »Sprechen trotz allem« (https://www.sprechentrotzallem.de) aus ihrem Leben. Im Juni 2015 traf sie sich mit Schülern verschiedener Berliner Gymnasien im Ort der Information des Denkmals für die ermordeten Juden Europas zu einer Schüler-Zeitzeugenbegegnung – die die Stiftung Denkmal zusammen mit der Schwarzkopf-Stiftung Junges Europa organisiert hatte. Ilse Heinrich berichtete aus ihren Leben vor, während und nach der Verfolgung. Anschließend stellten zahlreiche der 14- bis 15-jährigen Schüler Fragen zu der Zeit im Konzentrationslager, aber auch zu ihrem Umgang mit der Vergangenheit heute und ihrer Betätigung als Zeitzeugin. Mehrere Schüler bedankten sich für Frau Heinrichs Mut, heute vor ihnen zu sprechen und bekundeten ihren tiefen Respekt. Darauf erwiderte die Überlebende: »Ich muss euch das erzählen. In Büchern kann man viel schreiben. Filme können viel zeigen. Aber mit euch persönlich darüber zu sprechen, ist etwas anderes.« Im Anschluss zeigte sie den interessierten Schülern das Bundesverdienstkreuz, das ihr kurz zuvor als Anerkennung für ihren Einsatz als Zeitzeugin verliehen wurden war.
Drei Monate später nahm Ilse Heinrich erneut an einem Zeitzeugengespräch mit der Stiftung Denkmal – diesmal mit ihrer Freundin Charlotte Kroll (1922 – 2016) teil. Beide waren sich erst in den 1990er Jahren als Zeitzeuginnen begegnet und seither häufig gemeinsam aufgetreten. Sie sprachen von ihrer Haftzeit in Ravensbrück, von den Schikanen, der Brutalität und dem ständigen Hunger: »Das kann man so nicht wiedergeben, was wir durchgemacht haben!« Abschließend wünschten sich beide »Ravensbrückerinnen«, dass insbesondere junge Menschen sich, solange es noch möglich sei, mit Überlebenden wie ihnen auseinandersetzen sollten. »Denn das darf niemals vergessen werden. Solange wir leben, sollen die Menschen uns fragen, denn wir kennen die Wahrheit!«