Nachdem es ihr fast ein Jahr lang gelungen war, Zwangsarbeit und Misshandlungen im Konzentrationslager Ravensbrück zu überleben, kehrte die zwanzigjährige Ilse Heinrich im Mai 1945 zu ihrer Familie zurück. Doch auch dort stieß die vom nationalsozialistischen Regime als »asozial« Verfolgte auf Ablehnung.
Mit dem Tod ihrer Mutter im Jahr 1930 begann für Ilse Heinrich eine schreckliche Leidenszeit. Die zweite Frau ihres Vaters zwang sie nach Beendigung ihrer Schulzeit, auf einem nahe liegenden Bauernhof zu arbeiten. Immer wieder flüchtete sie von dort, weil sie sich in der Stadt ein eigenes Leben aufbauen wollte. Schnell geriet sie so in das Visier der nationalsozialistischen Behörden, wurde verhaftet, als »arbeitsscheu« klassifiziert und musste ab 1943 Zwangsarbeit im Güstrower Schloss leisten. Im August 1944 wurde sie nach Ravensbrück deportiert. Sie überlebte das Konzentrationslager und entging dem Todesmarsch, doch mit der endgültigen Befreiung durch die Rote Armee erlitt sie den nächsten Schicksalsschlag: Sie fiel einer Vergewaltigung zum Opfer. Nach mehreren Jahren ohne ein festes Zuhause »begann« ihr Leben erst 1951 in Berlin, wo sie ihren späteren Mann kennenlernte und eine Familie gründete. Von Anfang an pflegte Ilse Heinrich einen offenen Umgang mit ihrer Verfolgungsgeschichte und begann schon früh, sich als Zeitzeugin zu betätigen. Zum Zeitpunkt des Interviews war sie 86 Jahre alt.
Ilse Heinrich (01134/sdje/0031), 5. April 2011 (Berlin). Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas. Durchführung: Daniel Baranowski, Gabriele Zürn und Daniel Hübner. Bearbeitung: Lennart Bohne.