Wir haben heute erfahren, dass Gerd Braun, den wir am 15. Juni 2011 interviewt haben, vor wenigen Tagen verstorben ist.
Gerd Braun wurde 1936 in Berlin geboren. Als er ein Jahr alt war, wurde sein jüdischer Vater in das KZ Oranienburg gebracht. Er blieb dort (bzw. in Sachsenhausen) bis zur Deportation nach Auschwitz 1940. Gerd Braun wuchs bei seiner christlichen Mutter auf, ohne den Verhaftungsgrund des Vaters und ohne dessen Religionszugehörigkeit zu kennen. Mit der so genannten Kinderlandverschickung wurde er 1940 nach Ostpreußen gebracht, wo er bei einer Pflegefamilie lebend von den Geschehnissen des Zweiten Weltkriegs wenig mitbekam. Über Umwege gelangte er nach 1945 zunächst nach Hessen. Dort sah er seinen Vater wieder – die erste bewusste Begegnung. Erst nach und nach – über einen Zeitraum von vielen Jahren – erfuhr er die Geschichte seines Vaters und somit auch seine eigene.
Gerd Braun zog in den 1960er Jahren zurück nach Berlin, wo er ein erfolgreiches Berufsleben als selbstständiger Bäcker in Neukölln (»der letzte Bäcker vor der Grenze«, wie er uns erzählte) verbrachte. Über einen Kollegen von der FU Berlin erfuhr er von unserem Projekt. Es war ihm wichtig, durch die Erzählung und Aufzeichnung seiner Lebensgeschichte seinen Kindern und Enkelkindern den Versuch einer Erklärung für die komplizierten Wege der Familie zu hinterlassen.
Gerd Braun starb am Mittwoch an den Folgen eines Herzinfarkts.
Das dreistündige Interview mit ihm ist noch nicht im Ort der Information zu sehen.