Das Europäische Netzwerk Erinnerung und Solidarität (ENRS) mit Sitz in Warschau wurde 2005 von den Regierungen Deutschlands, Polens, Tschechiens und Ungarns gegründet, um mit Publikationen und diversen Veranstaltungen zur Aufarbeitung der Geschichte des 20. Jahrhunderts beizutragen. Mittlerweile gehört dem Netzwerk auch Rumänien an, andere Staaten haben Beobachterstatus.
Eine der wichtigsten Konferenzreihen des ENRS ist »Genealogien der Erinnerung«. Sie wurde nun zum zehnten Mal ausgetragen. Das Thema der diesjährigen Konferenz, die die Stiftung Denkmal als Organisationspartner mitgestaltet hat – und die die Bundesbeauftragte für Kultur und Medien (BKM) großzügig gefördert hat – lautete »Der Holocaust – Zwischen lokalen und globalen Perspektiven«. Es ging vor allem darum, wie lokale Erinnerungen und Zeugnisse in den globalen Diskurs über den Holocaust einfließen, zumal sie oft in Sprachen entstanden sind, die vielen nicht ohne Weiteres zugänglich sind, wie etwa Jiddisch, Ungarisch oder Litauisch.
Am Anfang des Jahres hatten wir die Konferenz sicherlich alle noch ganz anders erwartet. Nur allzu gern hätten wir uns im November in Warschau getroffen. Es sind ja nicht nur die Vorträge, Diskussionen und die persönlichen Begegnungen, die eine gelungene Konferenz ausmachen, sondern auch der Geist des Ortes – und wo hätte man besser über die Schnittmengen zwischen lokalen und globalen Perspektiven diskutieren können, als in Warschau? Kaum eine Stadt hat einen größeren Reichtum an Erinnerungsorten und Institutionen, vom 1947 gegründeten Jüdischen Historischen Institut bis hin zum erst vor wenigen Jahren eröffneten POLIN-Museum der Geschichte der polnischen Juden.
Bereits im Frühjahr hat sich jedoch abgezeichnet, dass die Konferenz nicht normal stattfinden können würde, so dass wir schnell damit begannen, die Konferenz im Online-Format zu organisieren. Dabei war eine professionelle Umsetzung sehr wichtig – die Konferenz wurde von einem Studio aus technisch betreut und moderiert. Bald erkannten wir auch die Vorteile des Formats: So konnten auch Wissenschaftler von anderen Kontinenten aus teilnehmen, die, sei es aus gesundheitlichen oder zeitlichen Gründen, die lange Reise nach Europa vielleicht nicht auf sich genommen hätten. Dasselbe gilt auch für das Publikum: aus organisatorischer Sicht konnten ganz neue Zielgruppen angesprochen und erreicht werden. Außerdem wurde die Konferenz deutlich entzerrt: Statt in zwei-drei Tagen in parallelen Sitzungen komprimiert fanden die Diskussionen über vier Wochen verteilt statt.
Jeder Tag begann mit einem Keynote-Speech. Diese wurden von solchen prominenten Gästen gehalten wie Professor Omer Bartov (Brown University), Piotr Cywiński (Staatliches Museums Auschwitz) und Éva Kovács (Wiener Wiesenthal Institut). Nach einer kurzen Pause ging es jeweils mit kürzeren Vorträgen weiter, die am Ende kommentiert und diskutiert wurden. Die Themenpalette reichte von Vorträgen über polnische Zitate in Claude Lanzmanns »Shoah« über die kinematographische Aufarbeitung des Holocaust in Nordmazedonien bis hin zur Thematisierung des Holocaust auf neuen Plattformen wie Instagram.
Die Vorträge und die Diskussionen sind alle vollständig auf YouTube zugänglich: https://www.youtube.com/playlist?list=PL3mposj9_bGu5PltjUngjtfoss8Y1p17-
Das gesamte Programm der Konferenz befindet sich hier: https://enrs.eu/edition/genealogies-of-memory-2020-the-holocaust-between-local-and-global-perspectives