Am 24. Juni 2021 kündigten der deutsche Außenminister Heiko Maas und der Secretary of State der USA Anthony Blinken die Aufnahme eines regelmäßigen deutsch-amerikanischen Regierungsdialogs über den Holocaust an. Sie riefen die nationalen Gedenkstätten der beiden Länder — die Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas und das United States Holocaust Memorial Museum — dazu auf, sich an dieser wichtigen Initiative zu beteiligen. Beide Einrichtungen blicken auf eine langjährige erfolgreiche Zusammenarbeit zurück und begrüßen die neue bilaterale Initiative, insbesondere in diesen schwierigen Zeiten.
Der Holocaust und der Zweite Weltkrieg haben die Weltordnung der Nachkriegszeit geprägt. Ihre anhaltende Bedeutung macht ein transatlantisches Engagement für Erinnerung und Bildung unerlässlich. Der beidseitige Dialog bietet die Möglichkeit, engere Partnerschaften zwischen den USA und Europa auf Regierungs- und Nichtregierungsebene aufzubauen. Er könnte drängender nicht sein. Auf beiden Seiten des Atlantiks wächst die Besorgnis über die anwachsende Flut an Fehlinformationen und Verfälschungen beim Thema Holocaust. Der damit einhergehende Anstieg des Antisemitismus ist nur eine der Folgen der Verharmlosung, Relativierung und Leugnung historischer Zeugnisse über den Holocaust oder der Verweigerung, die Opfer zu ehren. In der schlimmsten Ausprägung wird die Verantwortung für den Holocaust von den Tätern auf die Opfer übertragen.
Die Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas und das United States Holocaust Memorial Museum haben sich – zusammen mit anderen Institutionen – immer wieder diesen Herausforderungen gestellt, indem sie der Ermordeten gedenken, die Geschichte und ihre Bedeutung für neue Generationen lehren und die Dynamiken analysieren, die das Verständnis der prägenden Ereignisse in der Mitte des 20. Jahrhunderts heutzutage bedrohen.
Das jüngste Projekt Protecting Memory der Stiftung hatte zum Ziel, vernachlässigte und vergessene Massengräber von Juden und Roma, die bei Massenerschießungen auf dem Gebiet der heutigen Ukraine ermordet wurden, in würdige Gedenk- und Informationsorte zu verwandeln. Jede dieser Erinnerungsstätten bietet historische Informationen und fördert die Holocaust-Erziehung auf lokaler wie auch auf europäischer Ebene. Das vom Auswärtigen Amt geförderte Projekt wurde in Zusammenarbeit mit dem Ukrainischen Zentrum für Holocaust-Studien (Kiew) durchgeführt. Die gewonnenen Erkenntnisse und das für das Projekt aufgebaute internationale Netzwerk haben sich als unverzichtbar erwiesen, um dem Wiederaufleben antisemitischer Narrative und der Relativierung der Geschichte des Holocaust entgegenzuwirken. Der Bericht der Stiftung »Erinnerung bewahren: Schutz und Sichtbarmachung von Massengräbern des Holocaust in der Ukraine« ist hier verfügbar. Das Folgeprojekt Connecting Memory will lokale Erinnerungsaktivitäten durch Mentorenprogramme vor allem in der Ukraine, aber auch in Belarus und der Russischen Föderation unterstützen und vernetzen.
Das United States Holocaust Memorial Museum (USHMM) hat vor kurzem ein Forschungsprojekt durchgeführt und Mechanismen der Verfälschung des Holocaust und dessen Träger sowie die damit verbundene Zunahme antisemitischer Äußerungen in elf Ländern, in denen der Holocaust stattfand, untersucht. Die Forschung des USHMM konzentrierte sich auf Verzerrungen, die von Regierungen, politischen Führern und anderen Personen mit Einfluss auf die Politik und den öffentlichen Diskurs gefördert oder ermöglicht wurden. Das USHMM hat eine Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse erstellt und macht Vorschläge, wie gegen die aktuellen Trends vorzugehen wäre. Es will Gespräche darüber anregen, wie die Vereinigten Staaten und andere interessierte Länder auf neue Weise zusammenarbeiten können. Die Zusammenfassung »Holocaust Memory at Risk: The Distortion of Holocaust History across Europe« ist hier abrufbar.
Während unsere beiden Institutionen über die nächsten Schritte im Kontext des neuen deutsch-amerikanischen Dialogs nachdenken, erkennen wir an, wie wichtig es ist, der Öffentlichkeit die Ergebnisse mehrerer anderer herausragender staatlicher und regierungsnaher Forschungsprojekte zugänglich zu machen, die sich auf die Sicherung des Holocaust-Gedächtnisses und die Bekämpfung der Holocaust-Verfälschung konzentrieren oder die als Grundlage ihrer Erkenntnisse Beispiele und konkrete Fälle von Leugnung und Verfälschung als Ausdruck von Antisemitismus und anderen Vorurteilen einbeziehen. Sowohl die Stiftung als auch das USHMM haben in erheblichem Maße zu mehreren dieser Projekte beigetragen. Im Folgenden finden Sie Links zu Berichten und anderen Quellen aus diesen Projekten:
International Holocaust Remembrance Alliance, German Chairmanship, Report of the Global Task Force on Holocaust Distortion, Recognizing and Countering Holocaust Distortion: Recommendations for Policy and Decision Makers (2021)
European Commission, Handbook for the Practical Use of the IHRA Working Definition of Antisemitism (2021)
Organization for Security and Cooperation in Europe (OSCE), Office for Democratic Institutions and Human Rights (ODIHR), Words into Action to Address Anti-Semitism. Addressing Anti-Semitism Through Education: Guidelines for Policymakers (2018)
United States Department of State, Office of International Religious Freedom, 2020 Report on International Religious Freedom
Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS), Meldungen von antisemitischen Vorfällen in Deutschland
European Union Agency for Fundamental Rights, Antisemitism: Overview of Antisemitic Incidents Recorded in the European Union, 2009-2019 (2020)
United States Department of Justice, Federal Bureau of Investigation, 2020 Hate Crime Statistics
Das United States Holocaust Memorial Museum ist eine staatlich anerkannte, überparteiliche Bildungseinrichtung und Amerikas nationale Gedenkstätte für die Opfer des Holocaust. Das Museum will Bürger und Führungskräfte weltweit dazu anregen, sich dem Hass entgegenzustellen, künftige Völkermorde zu verhindern und sich für die Bewahrung der Menschenwürde einzusetzen.
Die vom Deutschen Bundestag gegründete Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas widmet sich der Förderung einer europäischen Perspektive auf den Holocaust. Die Stiftung fördert das öffentliche Wissen über das Leben und den Kampf jüdischer Einzelpersonen und Familien, die vom Völkermord in ganz Europa betroffen waren, und regt den Diskurs über weniger bekannte Aspekte des Holocaust an, insbesondere für die historischen Ereignisse in der besetzten Sowjetunion. Neben dem Holocaust-Mahnmal betreut die Stiftung das Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen, das Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas sowie den Gedenk- und Informationsort für die Opfer der nationalsozialistischen »Euthanasie«-Morde. Im Zentrum ihrer Arbeit steht zudem die Würdigung aller Opfer des Nationalsozialismus in einer umfassenderen Betrachtung ihrer Schicksale – auch im Zusammenwirken von Tätern, Kollaborateuren und anderen Zeitzeugen.