Im Oktober 2020 beschloss der Deutsche Bundestag mit einem Ort des Erinnerns und der Begegnung mit Polen, der den polnischen Opfer des Nationalsozialismus gewidmet ist, dem herausragenden Charakter der deutsch-polnischen Nachbarschaft gerecht zu werden und zur Vertiefung der besonderen Beziehungen zwischen beiden Ländern beizutragen.
Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) übertrug der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas im Mai 2022 die Weiterentwicklung eines Konzepts des Auswärtigen Amtes vom September 2021. Partner ist das Deutsche Polen-Institut in Darmstadt (DPI) unter der Leitung von Prof. Dr. Peter Oliver Loew. Nunmehr soll ein Realisierungsvorschlag für die Umsetzung eines Deutsch-Polnischen Hauses als Ort des Gedenkens, der historischen Aufklärung und Begegnung (DPH) erarbeitet werden. Das DPH ist das zentrale erinnerungspolitische Projekt mit unserem Nachbarland und in seiner Form wie seinem Anspruch einzigartig.
Für das DPH wurden drei Stellen im Wirtschaftsplan der Stiftung Denkmal eingerichtet, die später an die neu zu schaffende Institution übergehen. Von März 2023 bis März 2025 erhält die Stiftung Denkmal Mittel in Höhe von 1.000.000 € seitens der BKM.
Für die Erstellung des Realisierungsvorschlags konnten Dr. Agnieszka W. Wierzcholska und Robert Parzer als wissenschaftliche Mitarbeiter gewonnen und zum 20. März 2023 bei der Stiftung eingestellt werden. In einem ersten Schritt haben die beiden Wissenschaftler einen längeren Besuch in Polen, mehrere Treffen mit Experten der polnisch-deutschen Geschichte aus beiden Ländern und Gedenkveranstaltungen – zum Beispiel am 1. September – geplant.
Bereits vom 13. bis 16. März 2023 unternahmen auf Einladung des Außenministeriums der Republik Polen Uwe Neumärker, Direktor der Stiftung Denkmal, und der Verantwortliche der Stiftung für Internationale Beziehungen und damit für das DPH, Adam Kerpel-Fronius, eine »Studienreise Erinnerungskultur« in Polen. Organisatorisch wurde die Reise von der polnischen Botschaft in Berlin unterstützt. Zweck der Reise war es, einen tieferen Einblick in die Entwicklung der polnischen Erinnerungskultur zu gewinnen und mit wichtigen Akteuren auf diesem Gebiet ins Gespräch zu kommen. Es gab eine Vielzahl von Begegnungen, unter anderem im Außen- und im Kulturministerium oder mit dem Institut des Nationalen Gedenkens (IPN) und Besuche wichtiger Erinnerungseinrichtungen wie dem Museum der Geschichte der polnischen Juden POLIN oder dem Jüdischen Historischen Institut (ŻIH), dem beeindruckenden neuen Piłsudski-Museum in Sulejówek oder dem Sybir-Museum in Białystok. Anlässlich der Studienreise lud auch der deutsche Botschafter in Polen, Dr. Thomas Bagger, zu einem Empfang in seiner Residenz ein.
In der Woche darauf empfing Staatsministerin Claudia Roth den polnischen Botschafter, Dariusz Pawłoś, und seinen Stellvertreter, Paweł Gronow, im Kanzleramt. Die Kulturstaatsministerin betonte die »enorme Wichtigkeit und Einmaligkeit unserer Beziehungen wie auch die Notwendigkeit von historischer Aufklärung und Begegnung, um gemeinsam eine europäische Gegenwart und Zukunft zu gestalten«.
Uwe Neumärker fasste seine Eindrücke zusammen: »Die polnische Erinnerungslandschaft entwickelt sich rasant und auf höchst beeindruckende Weise, aber wir Deutschen wissen praktisch nichts über die großartige Kultur unseres Nachbarlandes und über die wechselvolle Geschichte zweier großer Nationen im Herzen Europas. Gerade aus der Verantwortung für die Millionen Opfer deutscher Verbrechen in Polen zwischen 1939 und 1945 heraus bedarf es einer vertieften Aufklärung über die Besatzungsherrschaft und deren Folgen, aber eben auch über eine jahrhundertelange Vor- und inzwischen fast acht Jahrzehnte währende Nachgeschichte. Wir nehmen ihre Ängste und Kritik sehr ernst, aber unsere polnischen Partner und Freunde können gewiss sein, dass dieses Projekt eine deutsche Herzensangelegenheit ist und ein Erinnerungszeichen beinhaltet. Es soll ein gemeinsames Vorhaben der Menschen in Polen und Deutschland, ein Labor unserer Freundschaft, sein und Vorurteile in beiden Ländern abbauen helfen!«
Der Realisierungsvorschlag für das DPH soll bis März 2024, vorliegen, und Ausmaße und Ausstattung eines neu zu errichtenden Gebäudes, eines Gedenkzeichens sowie die Grundgestaltung einer modernen Dauerausstellung umfassen. Darüber hinaus sind eine Wanderausstellung in Deutschland und Polen zur deutschen Besatzungsherrschaft in Polen 1939 bis 1945 sowie Veranstaltungen zu wichtigen Gedenktagen, wie dem 1. September 2024, dem 85. Jahrestag des deutschen Überfalls auf Polen, in Planung.
Kontakt
Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Tel. 030 26 39 43 26
presse@stiftung-denkmal.de
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Hinweis zum Foto: Warschau: Museum der Geschichte der polnischen Juden (eröffnet 2013, nach einem Entwurf des finnischen Architektenteams Lahdelma & Mahlamäki Oy, Helsinki) mit dem Denkmal der Helden des Warschauer Ghettos (entworfen vom Bildhauer Nathan Rapaport in Zusammenarbeit mit Leon Marek Suzin, enthüllt im April 1948) im Vordergrund