Antiziganismus-Bericht: Ergebnisse und zentrale Forderungen vorgestellt. Unabhängige Kommission verlangt grundlegenden Perspektivwechsel in Staat und Gesellschaft
Die vom Bundestag eingesetzte Kommission Antiziganismus stellt in ihrem Bericht eine strukturelle und institutionelle Verankerung des Problems sowie die umfassende Durchdringung des Alltags durch antiziganistischen Rassismus fest
Unter Mitarbeit einer wissenschaftlichen Mitarbeiterin der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas hat die Unabhängige Kommission Antiziganismus Empfehlungen für Maßnahmen gegen antiziganistischen Rassismus in Deutschland erarbeitet. Die vom Bundestag eingesetzte Kommission, der Jana Mechelhoff-Herezi, in der Stiftung Denkmal verantwortlich für den Arbeitsbereich Erinnerung an Sinti und Roma, angehört, stellte Anfang Juni einen entsprechenden Bericht vor. Er beruht auf 15 aktuellen, von der Kommission initiierten Studien, die insbesondere die Perspektiven von Sinti und Roma aufgreifen. Das Gremium benennt antiziganistischen Rassismus als allumfassende Alltagserfahrung für Sinti und Roma und fordert einen grundlegenden Perspektivwechsel in der Gesellschaft, bei dem die strukturellen Ursachen des Problems in den Blick zu nehmen sind.
»Es war absehbar, dass der Völkermord an den Sinti und Roma in dem Bericht eine Rolle spielen würde«, so die Kommission, »doch dass sich die Auswirkungen des Völkermords wie ein roter Faden durch die gesamte Darstellung ziehen, ist ein Ergebnis, das so nicht zu erwarten war«. In vielen gesellschaftlichen Bereichen wurde bruchlos an rassistische Praktiken angeknüpft: Ob im Bildungssystem, in der sozialen Arbeit, bei der Polizei, in der Asylpolitik oder in der Wissenschaft.
Zu den sechs zentralen Forderung zählen daher die umfassende Anerkennung des nationalsozialistischen Genozids an den Sinti und Roma auf dem Wege der expliziten Anwendung der Grundsatzes einer Kollektivverfolgung von Sinti und Roma für den gesamten Zeitraum nationalsozialistischer Herrschaft sowie die Einsetzung einer Wahrheitskommission zur Aufarbeitung des an Sinti und Roma begangenen Unrechts in der Bundesrepublik Deutschland. Ebenfalls in engem Zusammenhang mit der Geschichte des Völkermords steht die Forderung nach Anerkennung von geflüchteten Roma als besonders schutzwürdige Gruppe, einschließlich eines sofortigen Abschiebestopps und der Rücknahme der Einstufung der Westbalkanstaaten als »Sichere Herkunftsstaaten«.
Der Bericht soll in der letzten Sitzungswoche des Deutschen Bundestags noch debattiert werden. Die Umsetzung der zahlreichen Empfehlungen der Kommission obliegt der nachfolgenden Bundesregierung.
Bericht der Unabhängigen Kommission Antiziganismus
Zentrale Forderungen der Unabhängigen Kommission Antiziganismus
Präsentation des Berichts durch die Unabhängige Kommission am 4./5. Juni 2021