Im Berliner Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit ist derzeit eine Wanderausstellung mit dem Titel »Karya 1943. Zwangsarbeit und Holocaust« zu sehen. Die Ausstellung nimmt sich der Geschichte der jüdischen Zwangsarbeit unter den Nationalsozialisten in jenem kleinen Ort in Mittelgriechenland an. Karya liegt auf der damals noch eingleisigen Bahnstrecke zwischen Athen und Thessaloniki. Für den Bau eines Ausweichgleises wurden im Jahr 1943 schätzungsweise bis zu 500 jüdische Männer aus Thessaloniki in das Lager gebracht, die dort unter schwersten Bedingungen und mit primitivsten Mitteln auf der Baustelle arbeiten mussten.
Die Gestaltung der Ausstellung imitiert die griechische Landschaft, die Texte stehen wie auf großen Felsblöcken geschrieben im Raum. Auch der Baustellencharakter Karyas wird durch Metallstrukturen vor Augen geführt. Man bemüht sich, das Wesen des Ortes einzufangen.
Iris Hax, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Dokumentationszentrum (NS-Zwangsarbeit), bemerkt, dass der Konzeption der Ausstellung vor allem der Anspruch zugrunde lag, die Perspektive der Zwangsarbeiter zum Ausdruck zu bringen, und somit die Opferperspektive zu stärken. Dies werde vor allem dadurch erschwert, dass die Mehrzahl der erhaltenen Bilder zu Propagandazwecken von den Nationalsozialisten aufgenommen wurden, sich in ihnen also zwangsläufig die Täterperspektive spiegelt. Außerdem stellte sich noch die Frage danach, wie man einen Ort wie Karya sichtbar macht und ihn erinnert? – Fast unzugänglich, ohne oberflächliche Spuren der brutalen Vergangenheit. Eine Arbeitsgruppe der Universität Osnabrück nahm sich der Forschung vor Ort in Griechenland an. Mit ihrer Hilfe wurde ein digitales Modell der Topographie entwickelt, welches den Besucher und die Besucherin auch vor Ort in der Ausstellung zur Geländeforschung einlädt.
Die Ausstellung basiert ursprünglich auf einem Flohmarktfund des Privathistorikers Andreas Assael. Vor rund zwanzig Jahren entdeckte er durch Zufall ein altes Fotoalbum mit der Aufschrift »Organisation Todt«, dessen Inhalt zum Großteil aus Aufnahmen von jüdischen Zwangsarbeitern besteht. Anhand dieser Fotos, einiger Nachforschungen und Zeitzeugengesprächen wurde die Ausstellung konzipiert. So konnte ein zuvor unsichtbares Kapitel jüdischer Zwangsarbeit hier nun sichtbar gemacht werden.
»Karya 1943« wandert als Nächstes von Berlin nach Osnabrück. Parallel läuft die Ausstellung auch in Athen und wird von dort anschließend nach Thessaloniki überführt.