Etwa 300 interessierte Teilnehmer fanden zunächst am Mahnmal in der Großen Hamburger Straße in Berlin-Mitte zusammen. Kantor Simon Zkorenblut und Rabbiner Jonah Sievers, beide von der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, leiteten die Zeremonie mit einem El Male Rachamin und einem Kaddisch ein.
Nach dem Schweigemarsch in die Rosenstraße begann die Gedenkfeier vor der Skulptur von Ingeborg Hunziger. Dort begrüßte Uwe Neumärker, Direktor der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas und Mitglied der Ständigen Konferenz, die Teilnehmer und hob den »Mut unter schwierigen Bedingungen« hervor, den die Frauen in der Rosenstraße zeigten. Vor dem Hintergrund rechtsextremistischer Anschläge der letzten Monate betonte er, dass »unsere historische Verantwortung und auch unsere Grundgesetz uns alle, aber vor allem die Regierenden dieses Landes, verpflichten, etwas zu tun und konsequent dagegen aufzustehen«. Mit Blick auf die Ereignisse in der Rosenstraße schloss Neumärker: Wenn »Selbstbehauptung, Widerstand und Mut auch in einem geschlossenen Gewaltsystem, in einem Terrorsystem wie dem Nationalsozialismus möglich sind, so doch erst recht in unserer freien Gesellschaft«.
Dr. Klaus Lederer, Bürgermeister von Berlin und Senator für Kultur und Europa, kennzeichnete die Geschehnisse in der Rosenstraße als ein »Element von Selbstbehauptung, als ein Element zu widerstehen – auch auf die Gefahr hin nichts zu erreichen, auch auf die Gefahr hin die eigene Existenz aufs Spiel zu setzen« und schlussfolgerte, dass die Rosenstraße »uns nicht nur Mahnung, sondern heutzutage insbesondere Vorbild sein sollte, wenn uns die demokratischen Zustände in unserem Land irgendetwas wert sind.« Weiterhin stellte der Kultursenator in seiner Rede heraus: »Rituale und Gedenkveranstaltungen sind wichtig, reichen aber allein nicht aus«, weil vor allem diejenigen überzeugt werden müssten, die nicht zu solchen Veranstaltungen kommen.
Zum Abschluss sprach Dr. Mario Offenberg von der Israelischen Synagogen-Gemeinde (Adass Jisroel) zu Berlin. In seinem Merkwort stellte er angesichts zunehmender antisemitischer Vorfälle in Wort und Tat fest: »Der Antisemitismus ist nicht wieder da. Er war nie weg«. Außerdem warnte er, dass sich in Deutschland eine komfortable Gedenkkultur etabliert habe, die »das Verbrechen gut dokumentiert, das Gedenken gut organisiert und es dann dabei meistens belässt«, während sich der politische Arm von Rechtsextremismus, Antisemitismus und Rassismus im Bundestag und in den Landesparlamenten ausbreite.
Die Reden wurden von Esther Hirsch, Kantorin der Jüdischen Gemeinde, und dem Chor des Moses-Mendelssohn-Gymnasiums musikalisch umrahmt.
Im Anschluss an das Gedenken in der Großen Hamburger und der Rosenstraße waren die Teilnehmer zu einem Zeitzeugengespräch ins nahegelegene Instituto Cervantes eingeladen. Rechtsanwalt Klaus Eschen, dessen Mutter zu den Frauen in der Rosenstraße gehört hatte, sprach mit Schülerinnen und Schülern des Gymnasiums Tiergarten über den Mut seiner Mutter und die Erfahrungen seiner Familie während und nach der NS-Zeit. Etwa 120 Zuhörer nahmen an dem Gespräch teil und nutzten im Anschluss intensiv die Gelegenheit Fragen zu stellen.
Hintergrund
Im Februar 1943 fand die »Fabrik-Aktion«, bei der Tausende Jüdinnen und Juden in Berlin festgenommen und anschließend deportiert wurden, statt. Viele in sogenannten »Mischehen« lebende Juden wurden im Zuge dieser Aktion im Sammellager in der Rosenstraße 2-4 interniert. Ihre Angehörigen harrten daraufhin tagelang vor dem Gebäude aus, um die Freilassung zu erwirken.
Auch in der Großen Hamburger Straße befand sich ein Sammellager für Jüdische Bürger.