Die Tochter des Schöpfers des Denkmals für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas, des kürzlich verstorbenen weltbekannten Künstlers Dani Karavan, ist bei ihrem Besuch in Berlin eindeutig: »Das Denkmal als Anerkennung des Holocaust an den Sinti und Roma wie auch als Gesamtkunstwerk muss im Mittelpunkt aller Betrachtungen stehen. Es darf nicht beeinträchtigt werden. Die Trassenführung der S21 muss sich danach richten.« Die Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas, deren gesetzlicher Auftrag auch die Betreuung des Denkmals für die ermordeten Sinti und Roma Europas beinhaltet, teilt diese Sichtweise vorbehaltlos.
Die derzeit vom Berliner Senat und der Deutschen Bahn favorisierte Variante 12 h würde einen Großteil des alten Baumbestandes, der das Innere des Denkmals umschließt und einen Ort der Stille und Trauer schafft, zerstören. Direkt am Denkmalgelände entstünde über Jahre eine Großbaustelle mit schwerem Gerät und erheblicher Lärmemission. Für den Bau der unter dem Denkmal hindurchführenden Trasse wären zudem oberirdische Grabungs- und Konstruktionsarbeiten im Zentrum des Erinnerungsensembles erforderlich, so dass dieser Kernbereich über Monate zu einer Baustelle würde. »Dadurch wäre unser gesetzlicher Auftrag, ein würdiges Gedenken an die Opfer sicherzustellen, unmöglich zu erfüllen«, warnt Stiftungsdirektor Neumärker.
Nach jahrzehntelangem Ringen um die Anerkennung des Völkermords an den europäischen Sinti und Roma während des Zweiten Weltkrieges wurde das Gedenkensemble in unmittelbarer Nähe zum Reichstagsgebäude im Herbst 2012 eingeweiht. Es gilt weit über Deutschland hinaus als Bekenntnis zur Verantwortung für die nationalsozialistischen Verbrechen an bis zu 500.000 Sinti und Roma, aber auch als Chance eines anderen Umgangs mit Belangen von Sinti und Roma in der Gegenwart. Zugleich ist es – für viele Überlebende und deren Nachkommen der zweiten, dritten und vierten Generation – ein zentraler Ort der Trauer. Die derzeitige Diskussion hinter verschlossenen Türen wird von vielen Vertretern der Sinti und Roma in Deutschland und Europa als unwürdig empfunden. Und nicht zuletzt richtet sich die Frage an die Mehrheitsgesellschaft, was das Gedenken an die Opfer ihr bedeutet und welche Werte sie vertritt.
»Die Art, wie über das Denkmal im Zusammenhang mit dem Bau der S21 gesprochen und informiert wird, ist ein fatales Signal«, so Neumärker. Für das weitere Vorgehen fordert er »Sensibilität und ein angemessenes Bewusstsein für die einzigartige Beschaffenheit und die Bedeutung des Ortes. Zudem fordere ich Transparenz und die Beteiligung einer kritischen Öffentlichkeit, vor allem aber dass die Stimmen von Sinti und Roma unterschiedlicher Herkunft und Standpunkte gehört und ernstgenommen werden.«
Foto: Berlin, 14. Juni 2021: Noa Karavan besucht Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas
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