Zilli Schmidt, Überlebende des Völkermords an den europäischen Sinti und Roma, beantwortet in einem sogenannten Interaktiven Digitalen Zeugnis künftigen Generationen konkrete Fragen und erzählt von ihrem Leben
Die Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas und die Ludwig-Maximilian-Universität München haben zusammen mit der Firma Stereoscopic Technologies GmbH (STEREOTEC) begonnen, ein interaktives digitales Zeugnis der Sintezza Zilli Schmidt zu erstellen.
Hierfür beantwortete die 97-Jährige im vergangenen Juli über mehrere Tage knapp 500 Fragen. Die Antworten wurden in einem 3D-Verfahren gefilmt und anschließend in eine eigens programmierte interaktive Softwarestruktur eingebettet. Später können z.B. Schüler/-innen Zilli Schmidt 3D-digital begegnen und Fragen stellen. Hierbei werden die Fragen der Nutzer/-innen durch einen Algorithmus mit den gefilmten Antworten abgeglichen und von einem speziellen ebenfalls von Stereotec entwickelten Programm an die Nutzer/-innen wiedergegeben. Die Zeitzeugin antwortet somit direkt auf die gestellten Fragen der Nutzer/-innen. Durch diese Möglichkeit der Interaktion entsteht auch zukünftig eine besondere Austauschsituation.
Diese Art der Begegnung und des Fragenstellens ist vor allem für junge Menschen prägend und häufig einzigartig. Die Zeitzeugenbegegnung von Schüler/-innen, ebenso wie Erwachsenen, sowie das Interagieren als wichtige Instrumente empathischen Lernens, bleiben mit diesem interaktiven 3D-Zeugnis auch nach dem Ende der lebenden Zeitzeugenschaft in digitaler Form möglich. Das faktenbasierte Wissen über den Holocaust und die NS-Verbrechen wird für spätere Generationen um eine biographische Komponente erweitert – Geschichte bleibt so aus der individuellen Sicht der Überlebenden weiterhin erfahrbar.
Zilli Schmidt (*1924) stammt aus einer Familie deutscher Sinti. Im »Zigeunerfamilienlager« in Auschwitz-Birkenau gelang es ihr 1943/44, durch Diebstähle und Kontakte zu Funktionshäftlingen ihre Angehörigen zu retten. Doch in der Nacht des 2. August 1944 wurden ihre vierjährige Tochter Gretel, ihre Eltern, die Schwester mit ihren sechs Kindern und zahlreiche weitere Verwandte ermordet. Am selben Tag verschleppte die SS Zilli zur Zwangsarbeit nach Ravensbrück. Ihr gelang die Flucht. Nach Kriegsende fand sie nur ihre beiden Brüder wieder. Nach einem bewegten Leben begann sie erst vor wenigen Jahren, über ihre Geschichte zu sprechen.
Ein unveröffentlichtes »Making Of« vom Dreh in Mannheim ist unter folgendem privaten Link zu finden:
Ziel des Projektes
Der Stiftung Denkmal, die vier Erinnerungsorte in Berlin betreut sowie pädagogische Programme zur Erinnerung an alle Opfer des Nationalsozialismus entwickelt, ist es ein besonderes Anliegen, Schülern und Erwachsenen auch zukünftig den Austausch mit Zeitzeugen im Rahmen von Veranstaltungen, Seminaren, aber auch direkt in Schulen zu ermöglichen. Mit einer mobilen Version des interaktiven digitalen 3D-Zeugnisses sollen Schulen zukünftig vor Ort arbeiten können. Schüler/-innen werden die Möglichkeit eines simulierten »Zeitzeugengesprächs« haben, wenn die Zeitzeugin aufgrund von Alter oder Gesundheit nicht mehr vor Ort sein kann oder es irgendwann keine Überlebenden mehr gibt.
Nicht zuletzt trägt das Projekt dazu bei, über den in der breiten Öffentlichkeitwenig bekannten Völkermord an den europäischen Sinti und Roma aufzuklären und die Erzählungen der Betroffenen für die Nachwelt zu bewahren. Junge Menschen wissen über Sinti und Roma im Nationalsozialismus und darüber hinaus kaum Bescheid. Die außergewöhnliche Geschichte und die besondere Ausstrahlung/Persönlichkeit Zilli Schmidts, ihre persönliche Perspektive und die individuellen Schilderungen ihrer Erfahrungen im Nationalsozialismus sollen für künftige Generationen so lebendig, authentisch und würdig wie möglich bewahrt werden.
Beteiligte Projektpartner:
Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas: Die Stiftung wurde im Jahr 2000 gegründet. Die Stiftung hatte zwischen April 2003 und Mai 2005 die Bauherrenfunktion für das Holocaust-Denkmal inne und ist nunmehr für den Betrieb des Denkmals als Ort des Gedenkens, der Aufklärung und Begegnung zuständig. Laut Stiftungsgesetz ist sie außerdem verpflichtet, dazu beizutragen, »die Erinnerung an alle Opfer des Nationalsozialismus und ihre Würdigung in geeigneter Weise sicher zu stellen« sowie auf die »authentischen Stätten des Gedenkens« zu verweisen. Auch das Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen, das Denkmal für die ermordeten Sinti und Roma sowie der Gedenk- und Informationsort für die Opfer der nationalsozialistischen »Euthanasie«-Morde werden von der Stiftung betreut. www.stiftung-denkmal.de
Ludwig-Maximilians-Universität München: Im Münchner Projekt »LediZ« (Lernen mit digitalen Zeugnissen) der LMU München werden deutschsprachige interaktive 3D-Zeugnisse von Überlebenden der nationalsozialistischen Gewaltverbrechen und anderen Zeitzeug/-innen erstellt und erforscht. lediz.uni-muenchen.de
Stereoscopic Technologies GmbH (STEREOTEC): Stereotec gehört zu den weltweit führenden Firmen für Innovationen im 3D-Filmbereich. Die Firma begleitete bereits zahlreiche Hollywood-Produktionen, so beispielsweise die letzten zwei von Oscar-Preisträger Ang Lee verfilmten Projekte »Billy Lynn’s Long Halftime Walk« und »Gemini Man«, die als erste weltweit in High-Frame-Rate produzierten 3D-Spielfilme Filmgeschichte schrieben. www.stereotec.com und virtual.stereotec.com
Förderung
Die Umsetzung dieses Projekts macht die Kulturstiftung des Bundes möglich. Das Projekt »Bewahrung persönlicher Zeitzeugenschaft – Digitalen Zeitzeugen begegnen und Fragen stellen« wurde für eine Förderung im Rahmen des Dive.in-Programms der Kulturstiftung ausgewählt. Zusätzlich unterstützt die Freudenberg Stiftung die Entstehung dieses 3D-Zeitzeugnisses von Zilli Schmidt.
Film- und Fotomaterial:
Es stehen Aufnahmen zur Verfügung (Material des Interviews mit Zilli Schmidt selbst sowie Statements der Projektbeteiligten (Zilli Schmidt, Zeitzeugin, Markus Gloe, Professor für Politische Bildung und Didaktik der Sozialkunde an der LMU, Fabian Heindl, Projektleiter von Seiten der LMU, Florian Maier, Senior Stereographer von stereotec sowie Uwe Neumärker, Direktor der Stiftung Denkmal). Das Material ist rechtefrei. Auf Wunsch, kann selbst nachgedreht werden: Studio Stereotec, Kino der LMU, Stiftung Denkmal etc.. Ein unveröffentlichtes »Making Of« vom Dreh in Mannheim ist unter folgendem privaten Link zu finden: https://youtu.be/srmry-lSqmg. Das diesem Video zugrundeliegende Originalmaterial und weiteres Drehmaterial kann der Presse lizenzfrei zur Verfügung gestellt werden. Kontakt: info@stereotec.com
Kontakt: presse@stiftung-denkmal.de