In der Ausstellung, die bis zum 1. August in der St. Johannes-Evangelist-Kirche in Berlin-Mitte zu sehen ist, wird das Schicksal von 14 Frauen und Männern gezeigt, die während des Zweiten Weltkrieges wegen angeblicher Wehrkraftzersetzung oder Desertion vor deutschen Wehrmachtgerichten standen.
Etwa 30.000 Soldaten und Zivilisten wurden von 1939 bis 1945 wegen Fahnenflucht und anderer Delikte zum Tode verurteilt, über 20.000 von ihnen hingerichtet. Diejenigen, die überlebten, blieben nach dem Krieg als Feiglinge und Deserteure weiterhin geächtet. Erst ein Beschluss des Bundestages im Jahre 2002 rehabilitierte die Verurteilten. »Die meisten Urteile der Wehrmachtgerichte waren Unrecht. Die NS-Militärjustiz war vor allem ein Instrument, um einen verbrecherischen Angriffskrieg möglichst lange führen zu können« sagte Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) am Donnerstag bei der offiziellen Eröffnungsfeier vor 600 geladenen Gästen im Deutschen Theater in Berlin. Die Ausstellung mache deutlich, in welcher Weise Richter und Staatsanwälte in das NS-Gewaltregime verstrickt gewesen seien und nach 1945 weiterhin Karriere machen konnten, so der ehemalige Bundesminister Dr. Hans-Jochen-Vogel (SPD), in seinem Eröffnungsgrußwort.
Zur Ausstellungseröffnung extra nach Berlin gekommen ist die 85jährige Maria Kacprzyk aus Danzig. Auch sie stand 1943 vor dem Reichskriegsgericht in Berlin. Die damals junge Frau hatte, zusammen mit ihrer Freundin Krystyna Wituska, im Zweiten Weltkrieg für die polnische Untergrundorganisation »Heimatarmee« gearbeitet, beide waren von der Gestapo gefasst worden. Maria Kacprzyk entging (im Gegensatz zu Krystyna, die unter dem Fallbeil starb) nur knapp der Todesstrafe, sie wurde zu acht Jahren verschärften Straflager verurteilt. Das Schicksal der beiden Frauen wird in der Ausstellung ausführlich dargestellt. Für Maria Kapcprzyk und die anderen Überlebenden ist die in Berlin eröffnete Dokumentation eine Form der symbolischen Wiedergutmachung für erlittenes Unrecht.
Die Portraits von fünf Richtern aus der NS-Zeit sind in der Ausstellung ebenfalls zu sehen. Unter ihnen der bekannte Marburger Professor und Rechtswissenschaftler Erich Schwinge, der auch dem Krieg seine Tätigkeit uneingeschränkt fortsetzen konnte und 1994 verstarb. Die Ausstellung verdeutlicht, dass die damals agierenden Richter eigene Handlungsräume hatten und einige diese zugunsten der Angeklagten auch zu nutzen wussten, ohne sich selbst in Gefahr zu bringen.
Begleitend zur Ausstellung in Berlin haben die Kuratoren der Ausstellung, Dr. Ulrich Baumann und Dr. Magnus Koch, ein interessantes Vortragsprogramm entwickelt. Den Auftakt bildet die Veranstaltung »Weiter leben« am 22. Juni 2007 in der Saarländischen Landesvertretung. Die Moderation führt Dr. Franziska Augstein. Begonnen wird 19 Uhr.
Die Wanderausstellung ist ein Projekt der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas. Sie wird durch den Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien gefördert und entstand in Kooperation mit der Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz, der Bundeszentrale für Politische Bildung, der Gedenkstätte Deutscher Widerstand, der Stiftung Sächsische Gedenkstätten und der Stiftung Gedenkstätten Sachsen-Anhalt/Gedenkstätte ROTER OCHSE Halle (Saale). Die Stiftung Denkmal erfüllt so ihren gesetzlichen Auftrag, zu einem würdigen Gedenken aller Opfer des Nationalsozialismus beizutragen.
Nach der Präsentation in Berlin wird die Ausstellung auch in anderen Städten zu sehen sein, u. a. in Wilhelmshaven, München, Freiburg, Halle und Köln.
Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas
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