Am 29. Juni 1944 kam ein Deportationstransport aus der ungarischen Stadt Békéscsaba in Auschwitz-Birkenau an. In ihm befanden sich der vierzehnjährige Gabor Hirsch, seine Mutter Ella, die 81-jährige Großmutter Kunigunda, seine Tante Malvin mit ihrem Sohn Tibi, der in Gabors Alter war, sowie seine Tante Rozsi mit ihrem zehnjährigen Sohn Joszi und dem Säugling Peter.
Nur Gabor und sein Cousin Tibi überlebten. Gabor Hirsch kehrte nach Ungarn zurück, wo er am Budapester Westbahnhof seinen Vater wiedertraf. Dieser hatten den von der ungarischen Regierung angeordneten Zwangsarbeitsdienst für Juden überstanden. Gabor siedelte später in die Schweiz über, wo er sich um die Aufarbeitung des Holocaust bemühte. Ein besonderes Augenmerk legte er auf die Bedürfnisse und Interessen der in die Schweiz übergesiedelten Holocaustüberlebenden. 1995 gehörte er zu den Mitinitiatoren eines ersten, informellen Treffens von Überlebenden in der Eidgenossenschaft, zu dem damals 24 Personen erschienen. Schon zwei Jahre später gab sich die »Kontaktstelle für Überlebende des Holocaust« die Rechtsform eines Vereins. Um die Jahrtausendwende umfasste ihre Kartei ungefähr 400 Namen.
Nicht sehr viel später, am 26. Dezember 2002, erschien über die Kontaktstelle ein Aufruf der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas. Als Mitarbeiter der Stiftung suchte ich auf diese Weise nach Familiengeschichten für den zukünftigen Ort der Information. Letztendlich begann die kuratorische Arbeit dann mit dem Präsidenten der Kontaktstelle selbst – mit Gabor Hirsch. Seine Zugewandtheit, sein Humor und seine Akribie begleiteten unseren jahrelangen Kontakt. Ende November 2003 war ich bei den Hirschs zu Besuch und konnte mit ihm Einsicht in sein Archiv nehmen. Die Geschichte der Familie Hirsch wurde Teil des im Jahr 2005 eröffneten Raums der Familien, und Gabor Hirschs Buch über sein Schicksal und das der Juden seiner Heimatstadt wird heute am Ort der Information verkauft.
Gern hätte ich ihn noch einmal in der Schweiz besucht. Nun ist er im Alter von 90 Jahren verstorben.
Ulrich Baumann, stellvertretender Direktor der Stiftung Denkmal