Mit einem Festakt begingen die Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas, die Bundesstiftung Magnus Hirschfeld und der Lesben und Schwulenverband (LSVD) am 3. Juni das zehnjährige Bestehen des Denkmals für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen.
Hauptredner und Ehrengast Frank-Walter Steinmeier hielt eine bewegende Rede, in der er sich unter anderem entschuldigte: »Deshalb bitte ich heute um Vergebung – für all das geschehene Leid und Unrecht, und für das lange Schweigen, das darauf folgte.« Für alle, deren Sexualität schon vor 1945 als eine Straftat galt, sei das Kriegsende am 8. Mai 1945 kein Tag der Befreiung gewesen. Und so müsse zum Gedenken an die Verfolgung von Homosexuellen auch die Zeit nach 1945 gehören. Am Ende seiner Rede wandte der Bundespräsident sich direkt an die Gäste und die betroffene Minderheit: »Allen Schwulen, Lesben und Bisexuellen, allen Queers, Trans- und Intersexuellen in unserem Land, Ihnen allen rufe ich heute zu: Auch Ihre sexuelle Orientierung, auch Ihre sexuelle Identität stehen selbstverständlich unter dem Schutz unseres Staates. Auch Ihre Würde ist so selbstverständlich unantastbar, wie sie es schon ganz am Anfang hätte sein sollen.«
Nach dem Staatsoberhaupt, sprach der Bundesratsvorsitzende und Regierende Bürgermeister von Berlin, Michael Müller: »Seit der Einweihung des Denkmals hat sich die Situation in Staat und Gesellschaft glücklicherweise verändert. Berlin ist ein Ort sexueller Akzeptanz geworden.« Doch er mahnte zugleich, dass der gesellschaftliche Fortschritt immer verteidigt werden müsse und man sich auf bereits Erreichtem nicht ausruhen dürfe.
Ihm folgte Günter Dworek, Mitinitiator des Denkmals und Bundesvorstand des LSVD: »Die Erinnerung an die Verbrechen des Nationalsozialismus führt vor uns Augen, was geschehen kann, wenn Hass und Hetze eine Gesellschaft vergiften, wenn eine Mehrheit gleichgültig wird gegenüber dem Leben Anderer. […] Die Zukunft aber gehört der offenen, demokratischen Gesellschaft und nicht der Vergangenheit.«
Abschließend sprach Gulya Sultanova, LGBT-Filmfestival »Side by Side«, aus Sankt Petersburg, und berichtete über die Unterdrückung von Lesben und Homosexuellen in Russland und einigen der ehemaligen Sowjetrepubliken.
Der Bundespräsident sowie der Regierende Bürgermeister legten zum Ende der Zeremonie einen Kranz nieder.
Die von Uwe Neumärker, Direktor der Stiftung Denkmal, moderierte Veranstaltung mit etwa 200 Gästen, wurde von dem Duett »Radio Corel« musikalisch umrahmt. Nach den Reden sahen sich die Festaktgäste den neuen Film der israelischen Videokünstlerin Yael Bartana, die ebenfalls anwesend war, im Denkmal für die verfolgten Homosexuellen an und legten Blumen nieder.
Hintergrund
Seit zehn Jahren erinnert die Bundesrepublik Deutschland mit dem Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen an die über 50.000 zwischen 1933 und 1945 nach §175 Verurteilten. Mehrere tausend Schwule wurden wegen ihrer Homosexualität in Konzentrationslager verschleppt. Ein großer Teil von ihnen starb aufgrund von Hunger oder Krankheiten, durch Misshandlungen oder gezielte Mordaktionen. Die Nationalsozialisten zerschlugen die Lebenswelten von Schwulen und Lesben. Lange Zeit wurden die homosexuellen Opfer des Nationalsozialismus in beiden deutschen Nachkriegsstaaten aus der Gedenkkultur ausgeschlossen. Das Denkmal soll die homosexuellen Opfer des Nationalsozialismus ehren und zugleich »ein beständiges Zeichen gegen Intoleranz, Feindseligkeit und Ausgrenzung gegenüber Schwulen und Lesben setzen«. Es wurde von Michael Elmgreen und Ingar Dragset entworfen, auf Beschluss des Deutschen Bundestages gebaut und am 27. Mai 2008 der Öffentlichkeit übergeben. Aus Anlass des zehnten Jahrestages der Übergabe des Denkmals an die Öffentlichkeit wird ab dem 3. Juni 2018 ein Film der israelischen Videokünstlerin Yael Bartana im Denkmal gezeigt.