Zugleich lobte Strauß die gute Zusammenarbeit mit dem Land Baden-Württemberg, die dank des ersten Staatsvertrags zwischen einer Landesregierung und einem Verband der Sinti und Roma im Jahr 2013 einen erheblichen Schub erfahren habe.
Die Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kunst des Landes Baden-Württemberg, Theresia Bauer, äußerte ihre Besorgnis darüber, dass es für Roma und Sinti noch immer keine Selbstverständlichkeit sei, offen zu ihrer Herkunft zu stehen. Dies wertete sie als Armutszeugnis für die Mehrheitsgesellschaft. Zugleich zeigte sie sich hoffnungsvoll, dass die 2017 ins Leben gerufene Forschungsstelle Antiziganismus an der Universität Heidelberg nicht nur das Phänomen Antiziganismus besser verständlich machen, sondern auch Ansätze stärken werde, ihn wirksam zu bekämpfen.
Staatssekretärin Theresa Schopper, die auch den Rat für die Angelegenheiten der deutschen Sinti und Roma in Baden-Württemberg koordiniert, erinnerte daran, dass die Ausgrenzung und Diskriminierung von Sinti und Roma mit Kriegsende nicht aufgehört habe. Es habe erst einer entschlossenen Bürgerrechtsbewegung bedurft, die darum kämpfen musste, das an den Sinti und Roma durch die Nationalsozialisten begangene Unrecht und die Benachteiligungen, denen sie nach 1945 weiterhin ausgesetzt waren, endlich anerkannt wurden.
Der Direktor der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin, Uwe Neumärker, verwies auf die europäische Dimension des Völkermords an den Sinti und Roma. Hierzu stellte er die zahlreichen Wege der Verfolgung und vielfachen Methoden der Ermordung von Roma und Sinti in den unterschiedlichen Regionen Europas während des Zweiten Weltkriegs dar. Dass es bis heute keine abschließend gesicherte Opferzahl gebe, sei vor allem dem Umstand geschuldet, dass die historische Forschung diesen Komplex der von den Nationalsozialisten begangenen Verbrechen jahrzehntelang ausgeblendet habe. Zudem erinnerte Neumärker daran, dass Auschwitz-Birkenau für die Sinti und Roma nicht nur Schauplatz des Leidens und der Ermordung Tausender Menschen, sondern zugleich auch Ort eines entschlossenen und erfolgreichen Widerstands gegen die SS sei. Angesichts der politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen in ganz Europa mahnte er zu Achtsamkeit und bürgerlichem Widerstand. Jede Demokratie bedürfe der kontinuierlichen Pflege, die Demokratie in Deutschland zu pflegen und zu verteidigen sei nicht zuletzt Verpflichtung gegenüber den Opfern der im Namen Deutschlands begangenen rassistischen Verbrechen – den Sinti und Roma, wie allen anderen Opfern gegenüber.
Abschließend führten Daniel Strauß und die Autorinnen Dotschy Reinhard und Esther Dischereit ein Gespräch über ihren individuellen Umgang mit der Herkunft als Sinto, Sintizza und Jüdin.