In seiner historischen Einführung sprach Adam Kerpel-Fronius, Gedenkstättenreferent der Stiftung Denkmal, über die Entstehung von Sobibor und über den Unterschied zwischen einem Vernichtungs- und einem Konzentrationslager. Dann leitete er über zum langen Weg der Erinnerung nach dem Krieg, er erwähnte die zwei Filme »Flucht aus Sobibor« von 1987 und »Sobibor«, der im Mai dieses Jahres anlief, und erteilte dann den zwei Podiumsteilnehmern Léontine Meijer-van Mensch, Programmdirektorin des Jüdischen Museums Berlin, und Raphael Utz, Wissenschaftlicher Geschäftsführer des Imre Kertész Kollegs Jena, das Wort.
Letzterer sprach unter anderem von seiner ersten Exkursion nach Sobibor im Jahr 2014, und dass damals noch überall Knochen und menschliche Asche herumlag. Er berichtete, dass sich lange Zeit wenig am historischen Ort tat, das Gelände heutzutage aber als wissenschaftlich gut erforscht gilt. Inzwischen befindet sich eine neue Gedenkstätte im Bau. In diesem Zusammenhang sprach Raphael Utz davon, dass er sich diese als einen Ort wünsche, an dem ganz verschiedene Leute, ganz verschiedene Dinge über die jüdische mittel- und osteuropäische Geschichte lernten.
Dem widersprach Léontine Meijer-van Mensch: Sie denke nicht, dass an solch einem »Non-Ort«, einem »per se nicht jüdischen Ort«, an jüdisches Leben erinnert werden solle – besser geeignet dafür seien ehemalige und aktuelle jüdische Kulturorte, wie Tanzlokale und dergleichen. »Es geht in Sobior nicht mehr nur um jüdische Geschichte, sondern einfach erstmal um einen Schreckensort.« Léontine Meijer-van Mensch sprach aber auch über Sobibor als den Ort jüdisch-niederländischer Geschichte – eine große Zahl der Opfer stammte aus den Niederlanden – über den lange Zeit, bis weit in die 90er Jahre, nicht gesprochen wurde. »Irgendwie war das auch ein verlorengegangener Ort«. Und über den starken Opferdiskurs, der die Erinnerungsarbeit in den Niederlanden lange prägte – und der inzwischen aufgebrochen sei. »Die Wahrnehmung war lange: Wir sind besetzt wurden … Aber nicht jeder war im Widerstand, und nicht alle hatten eine Anne Frank zu Hause versteckt.«
Auch der 1. Botschaftssekretär der polnischen Botschaft, Darius Pawłoś, der im Publikum saß, meldete sich mehrmals zum aktuellen Stand des neuen Erinnerungsortes zu Wort.
Die rege Diskussion beleuchtete die Erinnerung an die historischen Ereignisse nicht nur in Polen und den Niederlanden, sondern auch in Russland und Deutschland sowie aktuelle Entwicklungen und wurde durch zahlreiche Fragen aus dem Publikum bereichert.