Am 10. November 2011 beschloss der Deutsche Bundestag, auf dem historischen Areal der Tiergartenstraße 4 in Berlin einen »Gedenkort für die Opfer der NS-›Euthanasie‹-Morde« zu errichten. Das Parlament forderte, »am historischen Ort der Planung der Verbrechen das bestehende Denkmal aufzuwerten sowie über die Dimension des Verbrechens und seine Opfer zu informieren (…) Umsetzen soll die Bundesregierung diesen Auftrag gemeinsam mit Berlin und dabei die Stiftung ›Denkmal für die ermordeten Juden Europas‹ sowie die Stiftung ›Topographie des Terrors‹ einbeziehen«.
Erstmals in ihrer Geschichte kann die Stiftung also bei der Entwicklung eines zentralen Erinnerungszeichens von Anbeginn mitarbeiten – eine Ehre und Herausforderung zugleich. Ein Novum ist auch die zivilgesellschaftliche Herangehensweise bei den Vorbereitungen für den Gedenkort. Im Vorfeld wurden die Inhalte des Gestaltungswettbewerbes intensiv mit dem »Runden Tisch T 4« beraten, der Betroffene, engagierte Bürger, Vertreter verschiedener Einrichtungen und Behörden versammelt, darunter auch Vertreter der Stiftung. Der Runde Tisch hatte sich 2007 aus Unmut über die Situation am historischen Ort zusammengefunden. Das Areal vor der Philharmonie wird bis heute von der Skulptur des Bildhauers Richard Serra dominiert, die der Berliner Senat in den 1980er Jahren dort aufstellen ließ und kurzerhand den »Euthanasie«-Opfern widmete – gegen den Protest damals aktiver Initiativgruppen. Seit 1989 ergänzt deshalb eine Gedenktafel die Skulptur.
Die Vorbereitungen für die Umgestaltung des Geländes sind mittlerweile in vollem Gange. Am 21. Juni 2012 bestimmte ein Auswahlgremium aus 92 Bewerbungen 30 Arbeitsgemeinschaften, die sich nun am Wettbewerb beteiligen dürfen. Seine Ergebnisse können aber nur so gut sein wie die Auslobung, deren Formulierung ihm vorangeht. Die Stiftung wurde vom Verantwortlichen für den Wettbewerb, dem Land Berlin, eng in das Verfahren einbezogen. Unser Anliegen, ein ausreichendes Maß an Informationen zu Opfern und Tätern vor Ort zu erreichen, konnte, so ist zu hoffen, durch präzise Vorgaben vermittelt werden. Margret Hamm (AG Bund der »Euthanasie«-Geschädigten und Zwangssterilisierten, Mitglied unseres Beirates) und Direktor Uwe Neumärker werden beim Auftaktkolloquium am 5. September 2012 mit den Teilnehmern ins Gespräch kommen. Bis zum 29. Oktober sind die Arbeiten abzugeben, das Preisgericht wird am 22. November, und, falls notwendig, noch einmal am 27. November 2012 tagen. Danach werden die Ergebnisse der Öffentlichkeit vorgestellt.
Dr. Ulrich Baumann, Stellvertretender Direktor der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas