von Sarah Friedrich
Zustande gekommen war das Treffen durch die Bestrebungen der Deutschlehrerin der Gruppe, die Sprachkurse für Erwachsene und Orientierungskurse leitet. In einem solchen Kurs lernen die Teilnehmer, wie Deutschland aufgebaut ist. Es geht um das Leben in einer Demokratie, um das deutsche Wahlsystem, das Rechtssystem, das Sozialsystem. Ein kleiner Unterrichtsbestandteil soll sich in diesem Zusammenhang auch mit der deutschen Geschichte zwischen 1933 und 1945 beschäftigen. Neben einem Besuch im Deutschen Historischen Museum schlug die Lehrerin nun eine Zeitzeugenbegegnung am Denkmal für die ermordeten Juden Europas vor – um in der Geschichtsvermittlung neben Fakten und Zahlen auch das empathische Lernen nicht außer Acht zu lassen, denn es sei schwierig, innerhalb so kurzer Zeit das Verständnis für das Jetzt und Heute aufgrund der historischen Erfahrung hier in Deutschland zu vermitteln.
Freitagvormittag trafen wir uns im Ort der Information mit 15 Teilnehmern des Orientierungskurses sowie mit Petra und Franz Michalski, die seit vielen Jahren eng mit der Stiftung Denkmal verbunden sind. Beide engagieren sich auf verschiedenste Art und Weise für die Gedenkstätten- und Erinnerungskultur in und um Berlin.
Im Seminarraum der Ausstellung stellten wir uns alle einander vor: Die Teilnehmer der Gruppe kommen aus ganz unterschiedlichen Ländern, wie Bulgarien, Italien, Peru, Albanien, Afghanistan, Syrien, Irak, Jemen, Großbritannien, und dem Kongo. Die Teilnehmer aus Syrien, dem Irak und Afghanistan haben selbst vor nicht allzu langer Zeit Flucht erlebt.
Auch Petra und Franz Michalski haben eine Fluchtgeschichte, die vor mehr als 70 Jahren begann und die beiden schließlich 1953 in Hamburg zusammenführte. Im Gespräch berichtete Petra Michalski, die nach dem Schlaganfall ihres Mannes Franz sein »Sprachrohr« ist, wie Franz Michalski mit seiner Familie vor den Nationalsozialsten fliehen musste – von Görlitz, nach Berlin, in die Steiermark und ins Sudetenland. Sie erzählt, wie der Familie nur wenige Augenblicke vor der Deportation, an Franz‘ zehntem Geburtstag, dank der Hilfe einer Freundin, die Flucht gelang und die Familie über Böhmen 1945 zurück ins zerbombte Berlin kam. Franz Michalski untermalte die Schilderungen seiner Frau anschaulich mit alten Fotos und kleinen Ergänzungen.
Anschließend entstand eine Gesprächsrunde mit den Teilnehmern, in der es insbesondere um Antisemitismus heute ging – Petra Michalski berichtete von ihrem eigenen Enkel, der erst zwei Jahre zuvor an einem Berliner Gymnasium als Jude wiederholt körperlich angegriffen und aufs stärkste diskriminiert worden war. Aber wir kamen auch auf das Thema Integration, Spracherwerb und Flucht generell zu sprechen. Was es für Menschen – gerade Kinder – bedeutet, so weit und auf unbestimmte Zeit von zu Hause entfernt zu sein. »Man kann da nur trösten und sagen, dass es sich nur um eine Zwischenstation handelt. Man darf die Hoffnung nicht aufgeben, dass man irgendwann zurückgehen kann«, versuchte Petra Michalski Mut zu machen. Und in jedem Fall gingen alle Beteiligten gestärkt und ein bisschen beschwingt aus diesem Treffen heraus.