Die internationale Expertenrunde in Straßburg war Teil der zweitägigen Konferenz »Human Rights as reflected in the History of Art«. Die Konferenz hatte sich der Sammlung von Anregungen und Fachwissen für das pädagogische E-Book des Europarats, das länder- und fächerübergreifende Materialien für die Lehrerbildung und für den Unterricht enthalten soll, verschrieben.
Auf der Tagesordnung der Konferenz standen übergeordnete Fragen wie: »Wo liegen die Verbindungen von interkulturellem Dialog und historischem Lernen?«, »Welche Rolle kann die Kunst und die Geschichte der Kunst darin einnehmen?«, »Wie kann ein Umgang mit der wachsenden Diversität gefunden werden?«, »Welche Zugänge und Materialien sind geeignet, eine Beziehung zu den Menschenrechten zu befördern?«, »Wie kann dazu ermuntert werden, interdisziplinär zu arbeiten und welche Vorschläge können hierfür entwickelt werden?«, »Wie können die nationalen Narrative in der Vermittlung von Geschichte zugunsten einer internationaleren Sichtweise überwunden werden?« oder auch »Wie können europäische Narrative im Sinne einer Inklusion und eines gemeinsamen kollektiven Gedächtnisses vereint werden, ohne dabei erneut ausschließende Trennungslinien zu produzieren und ohne die länderspezifischen Besonderheiten geschichtlicher Ereignisse, Orte und Akteure auf einen kleinsten gemeinsamen Nenner hin zu vereinfachen?«.
In den Expertenrunden, die sich der Verbindung von historischem Lernen, Menschenrechtsbildung und Kunst widmeten, war die Stiftung Denkmal als einzige Institution dezidiert zum Feld »Holocaust« eingeladen. In der Gruppe mit Vertretern aus über 20 Nationen wurden konkrete Vorschläge und eigene Projektpräsentationen vorgestellt. Gleichzeitig fand ein intensiver Meinungsaustausch darüber statt, welche Kunstwerke und welche Fragestellung für eine länderübergreifende Auseinandersetzung geeignet wären. Eine besondere Rolle spielten dabei für Europa relevante »Erinnerungsorte«, verstanden als Orte, an dem sich das kollektive Gedächtnis einer sozialen Gruppe kristallisiert. Diese Orte können geographische Orte sein (zum Beispiel Auschwitz oder die Mostar Brücke), aber auch Ereignisse (zum Beispiel Guernica) oder mythische Gestalten (zum Beispiel Jeanne d’Arc) oder auch Kunstwerke (zum Beispiel Goyas Bild »Desastre de la guerra« oder »The Hero« von der serbischen Künstlerin Marina Abramovic oder die Goldene Madonna von Essen als älteste vollplastische Marienfigur der abendländischen Kunst).
Im pädagogischen E-Book des Europarats, so das Fazit der Organisatoren, soll in jedes der vier Themen – »Bedeutung der Industriellen Revolution«, »Geschichte der Erziehung«, »Europa in der Welt« sowie »Geschichte der Menschenrechte, wie sie sich in der Kunst widerspiegelt« – mit mehreren Unterrichtsvorschlägen eingeführt werden. Gleichzeitig wird bei jeder Themeneinheit vermittelt, wie der Stoff im Kontext gemeinsamer Geschichte, für ein Europa ohne Trennlinien unterrichtet werden könnte und müsste. Zusätzlich wollen die Umsetzenden zahlreiche Ressourcen aus den europäischen Ländern einbinden, so auch das virtuelle Erinnerungsarchiv »Du bist anders?« der Stiftung.
Das E-Book soll schon im nächsten Jahr als Empfehlung des Europarats für künftige Bildungsarbeit im Feld der Geschichtsvermittlung vorgestellt und implementiert werden.
Hintergrund Europarat und »Citizenship & Human Rights Education«
Der Europarat, gegründet 1949, hat inzwischen 47 Mitgliedsstaaten und unterstützt mit verschiedensten Maßnahmen die Durchsetzung der in der Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) formulierten Rechte. Deren Einhaltung ist für alle Mitgliedsstaaten bindend und kann vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eingeklagt werden, und zwar sowohl von Einzelpersonen als auch von Staaten. Vom Europarat aus werden europaweit gültige Prinzipien entwickelt, die der Achtung der Menschenrechte, der Demokratie und der Gesetzesbildung dienen.
Im Rahmen der Programme »Citizenship & Human Rights Education« werden für unterschiedlichste Träger und Erziehungsinstitutionen (Schulen, außerschulische Bildungseinrichtungen, NGOs, Museen, bis hinein in die Familien) konkrete Mechanismen und europäische Standards entwickelt, die eine Kultur der »gemeinsamen Geschichte für ein Europa ohne Trennlinien« ermöglicht.
Dr. Constanze Jaiser, wissenschaftliche Mitarbeiterin, Projektleitung Raum der Namen, Jugendwebseite