Nach einem Grußwort S. E. Tomáš Jan Podivínský, der betonte, dass dieses Zeitzeugengespräch eine Herzenssache der Botschaft der Tschechischen Republik sei, führte Uwe Neumärker, Direktor der Stiftung Denkmal, in den Abend ein. Er sprach über den Auftrag der Stiftung, aller Opfer des Nationalsozialismus würdig zu gedenken und wie im Rahmen dieser Aufgabe 2015 das Bündnis Solidarität mit den Sinti und Roma Europas, auf Initiative des Vereins RomaTrial und der Stiftung, entstanden war. Seit 2016 beteiligt sich die Stiftung am jährlich im April in Berlin begangenen Romaday – der in diesem Jahr durch die Zeitzeugenbegegnung mit Zilli Reichmann eröffnet wurde.
Im Gespräch mit Jana Mechelhoff-Herezi, Leitung Erinnerung an Sinti und Roma der Stiftung Denkmal, berichtete Zilli Reichmann aus ihrem Leben. Sie sprach über ihre Kindheit, geboren 1924 in Thüringen als Cäcilie Reichmann, die vor allem im Kreis der Familie eine glückliche war, über ihre Eltern und die vier Geschwister. Dass sie und ihr kleiner Bruder Otto auf dem Weg zur Schule von anderen Kindern häufig beschimpft und geschlagen wurden. »Na und da hab ich zurückgeschlagen. Mein Bruder war ja noch klein. Was sollte ich machen.«
Sie berichtete von ihrer Fluchtgeschichte – über Eger und Karlsbad, bis ins Elsass, wo sie in Strasbourg aufgegriffen und in das sogenannte Zigeunerlager Léty in Böhmen gebracht wurde. Zilli Reichmann war die Erste ihrer Familie, die nach Auschwitz deportiert wurde. »Ein halbes Jahr später kam meine Familie einzeln in Auschwitz an – erst mein Vater und später die anderen – die wurden alle vereinzelt aufgegriffen. […] Vorher hatte ich mich noch ganz gut durchgeschlagen können, aber dann musste ich plötzlich für meine ganze Familie sorgen. Da hab ich geklaut. Ich hab Essen geklaut, wo ich nur konnte.« Sie sei ja jung gewesen und hätte noch relativ viel Kraft gehabt, berichtete Zilli Reichmann. »Und einen Willen hab ich gehabt und einen großen Hass auf die, die uns das antaten.«
Am 2. August 1944 wurde sie zur Zwangsarbeit nach Ravensbrück verschleppt. Ihre vierjährige Tochter Gretel, ihre Eltern, die Schwester mit ihren sieben Kindern und zahlreiche weitere Verwandte wurden in der Nacht des 2. August 1944 im »Zigeunerfamilienlager« in Auschwitz vergast.
Zusammen mit ihrer Cousine floh Zilli Reichmann aus Ravensbrück, schlug sich zu ihrem Onkel nach Berlin durch und beschaffte sich falsche Papiere, mit denen sie sich bis zum Kriegsende, das sie in einem kleinen Ort in der Nähe von Wien erlebte, frei bewegen konnte. »Bei Wien hab ich dann mit meiner Cousine auf einem Weingut gearbeitet. Und abends saßen wir immer auf der Bank und haben geweint, um die, die in Auschwitz geblieben sind.«
Zahlreiche Gäste bedankten sich im Anschluss der Veranstaltung bei Zilli Reichmann für den ergreifenden Abend.
Im August dieses Jahres wird die Stiftung Denkmal Zilli Reichmanns Lebenserinnerungen als neuen Band in ihrer Zeitzeugenreihe veröffentlichen.
Otto