Am 10. Juli 1924 – vor 100 Jahren – wurde Zilli Schmidt in Thüringen geboren. Anlässlich ihres Geburtstages wollen wir an Sie erinnern.
Zilli Schmidt, geborene Reichmann, wächst glücklich und behütet in Thüringen auf. Doch mit 18 Jahren, im Juni 1942 wird Zilli im elsässischen Straßburg festgenommen und in das Konzentrationslager Lety in Böhmen überstellt. Sie flieht, wird erneut verhaftet und 1943 von der SS nach Auschwitz-Birkenau deportiert, wo sie in einem gesonderten Bereich für Sinti und Roma interniert ist. Kurze Zeit später wird ihre ganze Familie nach Auschwitz gebracht. Durch Diebstahl von Lebensmitteln, Kleidung und Medikamenten sowie Kontakte zu Funktionshäftlingen gelingt es Zilli, ihre Angehörigen vorerst am Leben zu halten. Doch in der Nacht vom 2. auf den 3. August ermordet die SS in Birkenau alle verbliebenden Sinti und Roma – so auch Zillis Familie: ihre vierjährige Tochter Gretel, ihre Eltern, ihre Schwester und deren sieben Kinder. Zilli selbst wird bereits einen Tag zuvor in das KZ Ravensbrück geschickt. Dort erfährt sie vom Tod ihrer Familie. Sie flieht aus Ravensbrück und taucht bis zum Kriegsende unter. Nach Ende des Krieges findet sie nur ihre beiden Brüder wieder. Jahrzehntelang kämpft sie um eine »Entschädigung« durch die bundesdeutschen Behörden. Erst in den 2010er Jahren beginnt sie, außerhalb ihrer Familie über ihr Leben zu sprechen: »Unsere Menschen sollen nicht vergessen werden! Ich will, dass die Welt erfährt, was mit den Sinti passiert ist. Ich will, dass sie wissen, wie das ist, weiterzumachen, wenn man alles verloren hat, was einem lieb war.«
In den letzten Jahren engagiert sich Zilli Schmidt als Zeitzeugin. 2018 spricht sie am Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas erstmals öffentlich. »Ich bin stark und kämpfe. Solang meine Augen auf sind, kämpfe ich. Gegen Neonazis und gegen Ungerechtigkeit. Dafür bin ich da, solange ich meine Augen noch auf habe«, sagt sie in einem privaten Interview 2021.
Im Januar 2022 erhält die damals 97-Jährige das Bundesverdienstkreuz als Würdigung für ihr politisches Engagement.
Zilli Schmidts Biografie ist Teil der Dauerausstellung am Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas.
Auf der Webseite »Nicht mit uns! Verfolgung von Jugendlichen im Nationalsozialismus« wird die Geschichte von Zilli Schmidt ebenfalls erzählt.
Romeo Franz, erster deutscher Sinto im Europaparlament, ist ein guter Freund Zilli Schmidts gewesen. Auch in seiner Familie gibt es Auschwitz-Opfer, auch er wurde auf dem Schulweg als beschimpft und geschlagen. Romeo Franz kannte die Ängste Zilli Schmidts vor Antiziganismus und Rechtsnationalismus: »Sie hat mir das Versprechen abgenommen, dass ich mich dagegen einsetze.«
Wir behalten Zilli Schmidt in liebevoller Erinnerung – voller Stolz, sie kennengelernt und in den letzten Jahren ihres Lebens begleitet haben zu dürfen.
Zilli Schmidt starb am 21. Oktober 2022 im Alter von 98 Jahren in Mannheim.