Dani Karavan, Bildhauer, Architekt, Bühnenbildner, Spurensucher, Ausnahmekünstler des 20. und 21. Jahrhunderts, war ein unbequemer, ein kompromissloser, vor allem aber ein höchst liebenswerter Mann. Die Nachricht von seinem Tod am vergangenen Sonnabend haben wir mit Trauer, Bestürzung und Schmerz vernommen. Wir drücken der Familie, seiner Tochter Noa Karavan und allen Angehörigen unser tiefes Mitgefühl aus, verbunden mit der vielleicht tröstlichen Gewissheit, dass er unvergessen bleiben wird, Dani Karavan als Mensch, und Dani Karavan als Künstler, der mit seinen berühmten Werken, darunter zahlreiche großflächige Landschaftskunstwerke, Spuren hinterlässt, die unübersehbar sind und die bleiben werden.
Der als Sohn polnischer Einwanderer in Tel Aviv geborene Karavan hatte im vergangenen Dezember seinen 90. Geburtstag begangen, doch von Ruhestand konnte bei ihm keine Rede sein. So pendelte er bis ins höchste Alter zwischen seinen Lebens- und Schaffensorten Tel Aviv und Paris. Auch nach Berlin reiste er regelmäßig. Von Karavan stammt das »Grundgesetz 49«, eine Glasskulptur entlang der Spreepromenade, in die die ersten 19 Artikel des Grundgesetzes graviert sind.
Außerdem hat er das Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas gestaltet – eine Lichtung, umstanden vom alten Baumbestand des Tiergartens auf der Südseite des Reichstagsgebäudes. Mit diesem Denkmal schuf er einen Ort der Stille, der Trauer, der Einkehr inmitten der hauptstädtischen Verkehrs- und der Touristenströme. Der niederländische Überlebende des Völkermords an den Sinti und Roma, Zoni Weisz, nannte es erst unlängst einen »Ort im Herzen Berlins, an dem wir uns an unsere ermordeten Lieben erinnern können, ein wunderschön untertriebenes Denkmal. […] Ich betrachte dieses Denkmal als das Grab meiner Familie.« Karavan zeigte mit dem Denkmal eine Empathie, mit der er die größte Anerkennung und auch tiefe Freundschaft vieler Sinti und Roma gewann. Seit im vergangenen Jahr Informationen über dessen mögliche Beeinträchtigung oder Gefährdung durch den Bau einer S-Bahn-Trasse öffentlich wurden, hat er sich mehrfach eindeutig geäußert. Aus seiner Sicht dürfe es keinerlei Eingriffe in das Denkmal in seiner Gesamtheit geben, es bleibe für ihn unantastbar.
Karavans Arbeit im Zusammenhang mit dem Denkmal für die ermordeten Sinti und Roma war nicht abgeschlossen. Für eine Erweiterungsausstellung nebenan hatte er einen Entwurf erarbeitet, mit dessen Umsetzung er bis zuletzt beschäftigt war.
Für das Denkmal für die ermordeten Juden Europas hatte Dani Karavan 1997 – man könnte sagen, etwas widerwillig – ebenfalls einen Wettbewerbsbeitrag eingereicht. »Not a monument. For this monstrosity it is impossible to create a monument«, erläuterte er sein Modell aus blühenden, gelben Stauden, die einen verschobenen Davidstern bilden. Keine Inschriften, keine Wege, keine anderen Mittel der Orientierung. Die Pflanzen sollten wachsen und verblühen, ohne dabei äußeren Bedarfen nach Erinnerung – oder Vergessen – entgegenzukommen. Ein Entwurf, der als Weigerung verstanden werden kann, Erinnerung zu erzeugen, oder als Weigerung, so etwas wie Entlastung zu schaffen. Karavan befürwortete einen Erinnerungsort für alle Opfer der Nationalsozialisten. Das Monumentale, Überwältigende war nicht sein Weg. Er wählte meditativere Zugänge, ausgehend von der und eingebettet in die natürliche Umgebung. Also reichte er den beschriebenen Entwurf ein – wohl wissend, dass er abgelehnt werden würde. Stattdessen ließ er sich dafür gewinnen, den Ort zur Erinnerung an die ermordeten Sinti und Roma zu gestalten, der nach 20jähriger Debatte 2012 eingeweiht wurde.
Unbeirrbar war Dani Karavan, wenn es um die Details seiner Entwürfe ging. Er hatte hier einen Anspruch an sich selbst, hinter den zurückzutreten er nicht bereit war. In diesen Fragen ließ er sich in Verhandlungen mit Bauherren, Regierungen und Verbänden nicht unterkriegen. Dani Karavan war unbeugsam bei der baulichen Qualität, mahnend, ernst und solidarisch, wenn es um das Eintreten für die Menschenrechte ging, doch stets überaus herzlich, zugewandt und voller Humor in der persönlichen Begegnung. Redete er mit deutschsprachigen Gesprächspartnern, fügte er in sein Englisch oder Hebräisch verschmitzt jiddische Wendungen ein. Menschen, die mit ihm für eine Sache eintraten, nannte er manchmal »meine Kinder«. Manches Gespräch schloss er mit einem augenzwinkernden »gemachte Geschäft«.
Dani Karavan wird unvergessen bleiben – und wir werden ihn vermissen als Künstler, Mensch und Freund.