Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas

1992 beschloss die Bundesregierung die Errichtung eines nationalen Denkmals in Erinnerung an die Ermordung der als »Zigeuner« verfolgten europäischen Sinti und Roma. Das Denkmal des Künstlers Dani Karavan besteht aus einem Brunnen mit einem versenkbaren Stein, auf dem täglich eine frische Blume liegt. Darüber hinaus informieren Tafeln über Ausgrenzung und Massenmord an dieser Minderheit während der nationalsozialistischen Terrorherrschaft. Das Denkmal wurde am 24. Oktober 2012 feierlich der Öffentlichkeit übergeben.

Denkmal

täglich 24h
zugänglich

ORT

Simsonweg
10557 Berlin

KONTAKT

+49 30 26 39 43 – 0
info@stiftung-denkmal.de

Architekt Dani Karavan

Freiluftausstellung

Im Zentrum der im Oktober 2022 ergänzten Freiluftausstellung stehen die Biografien von neun verfolgten oder ermordeten Roma und Sinti aus verschiedenen europäischen Herkunftskontexten. Daneben stellt die Ausstellung die europäische Dimension des Völkermords dar, erzählt Geschichten des Widerstands und bildet den mühsamen Einsatz der Bürgerrechtsbewegungen um Anerkennung ab.

Auf Medienstationen werden animierte Kurzfilme zu den neun Biografien gezeigt: Zoni Weisz (Niederlande), Zilli Schmidt (Deutschland), Lidija Krylowa (Russland), Adam Ujvary (Österreich), Matéo Maximoff (Frankreich), Vinko Paul Franz (Deutschland), Branko Branislav Acković (Serbien), Elina Emílie Holomková (Tschechien) und Noncia Alfreda Markowska (Polen).

Animierte Kurzfilme

Elemente des Denkmals

Die metallene Einfassung der Wasserschale birgt das Gedicht »Auschwitz« des italienischen Roma-Musikers, Komponisten und Hochschullehrers Santino Spinelli. In deutscher und englischer Fassung säumt es den See. Am Rande der Chronologie ist es außerdem in zwei unterschiedlichen Dialekten des Romanès zu lesen.

Eingefallenes Gesicht
erloschene Augen
kalte Lippen
Stille
ein zerrissenes Herz
ohne Atem
ohne Worte
keine Tränen.

Gedicht des italienischen
Roma Santino Spinelli

Innerhalb des durch Glaswände und Bepflanzung entstandenen Denkmal-Raumes ist permanent Musik, ein sich ständig verändernder Geigenton, das Stück »Mare Manuschenge« (»Unseren Menschen«), komponiert von Romeo Franz zu hören. Romeo Franz hat es für die am Denkmal permanent ertönende Aufnahme auch selbst eingespielt. Der Geigenton folgt einer Molltonleiter, die der traditionellen Musik der Sinti zugrundliegt und auch im modernen Sinti-Jazz und Sinti-Swing charakteristisch ist.

Inmitten der Lichtung liegt ein kreisrunder See von etwa zwölf Metern Durchmesser, bestehend aus einer Wanne dunkel beschichteten Stahls. Bei entsprechendem Licht spiegelt er die Besucher, die Bäume, den Himmel und auch das mächtige Reichstagsgebäude. Es sollte, so die Idee Karavans, der Eindruck entstehen, der See sei unendlich tief.

Aus der Mitte des Sees ragt flach ein dreieckiger Sockel aus Granit. Das Dreieck ist laut Karavan ein Zitat der winkelförmigen Häftlingskennzeichnungen in den Lagern. Dieser Sockel senkt sich täglich zur Mittagszeit in die Tiefe hinab und wird kurz darauf mit einer frischen Blume versehen wieder an die Wasseroberfläche gefahren.

Rings um den See in die Rasenfläche sind grob gebrochene Steinplatten eingelassen, die in ihrer Form an Scherben (Zerstörung, Zersplitterung, Verlust, Verletzung) erinnern können. In einen Teil dieser Platten sind die Namen von 69 Orten eingebracht, an denen sich Vernichtungs-, Konzentrations- und Sammelstätten befanden, oder an denen Erschießungen von Sinti und Roma stattfanden.

Geschichte des Denkmals

Unter der Herrschaft des Nationalsozialismus wurden von 1933 bis 1945 Hunderttausende Menschen in Deutschland und anderen europäischen Ländern als »Zigeuner« verfolgt. Die meisten von ihnen bezeichneten sich selbst nach ihrer jeweiligen Zugehörigkeit zu verschiedenen Gruppen beispielsweise als Sinti, Roma, Lalleri, Lowara oder Manusch. Die größten Gruppen in Europa waren die Sinti und Roma. Ziel des nationalsozialistischen Staates und seiner Rassenideologie war die Vernichtung dieser Minderheit: Kinder, Frauen und Männer wurden verschleppt, an ihren Heimatorten oder in Ghettos, Konzentrations- und Vernichtungslagern ermordet. Von Verfolgungsmaßnahmen betroffen waren auch Angehörige der eigenständigen Opfergruppe der Jenischen und andere Fahrende.

1933
Sinti und Roma werden verschärft diskriminiert, zunehmend entrechtet und aus dem gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen. Es erfolgen erste Einweisungen in Konzentrationslager und ab 1934 Zwangssterilisationen. 1935 In vielen Städten des Deutschen Reiches werden Zwangslager eingerichtet. In Berlin werden Hunderte Menschen zwei Wochen vor der Eröffnung der Olympischen
Spiele 1936 in ein solches Lager im Stadtteil Marzahn eingewiesen. Die Lager dienen der Konzentration, Festsetzung und Erfassung, der Isolierung sowie der
Rekrutierung zur Zwangsarbeit.

1936
Nach den »Nürnberger Rassengesetzen« (1935) verfügt Reichsinnenminister Wilhelm Frick im Januar 1936: »Zu den artfremden Rassen gehören alle anderen Rassen, das sind in Europa außer den Juden regelmäßig nur die Zigeuner.« Auf dieser Basis wird ein rassistisches Sonderrecht etabliert, das für die Betroffenen unter anderem Eheverbote sowie Ausschluss aus Berufen oder der Wehrmacht bedeutete.

1938
Über 2.000 Sinti und Roma aus Deutschland und Österreich, darunter Kinder ab zwölf Jahren, werden bis 1939 nach Dachau, Buchenwald, Sachsenhausen, Ravensbrück, Mauthausen und in andere Konzentrationslager
verschleppt. Auf Weisung des »Reichsführers SS und Chefs der deutschen Polizei«, Heinrich Himmler, wird in Berlin beim Reichskriminalpolizeiamt eine zentrale Stelle eingerichtet, die die Erfassung und Verfolgung der Sinti
und Roma steuert und koordiniert. Im Dezember ergeht ein grundlegender Erlass Himmlers, »die Regelung der Zigeunerfrage aus dem Wesen dieser
Rasse heraus in Angriff zu nehmen«, mit dem Ziel der »endgültigen Lösung der Zigeunerfrage«. Die mit der Erfassung beauftragte »Rassenhygienische Forschungsstelle« fertigt bis Kriegsende nahezu 24.000 »rassenkundliche
Gutachten« an, die eine wesentliche Grundlage für die Deportationen in Vernichtungslager bilden.

1939
Mit dem Beginn des Zweiten Weltkrieges plant das für die Organisation des Völkermordes federführende »Reichssicherheitshauptamt», alle als »Zigeuner« erfassten Menschen zu deportieren. Zur Vorbereitung von Deportationen verfügt es, allen Betroffenen »die Auflage zu erteilen, ihren Wohnsitz oder ihren jetzigen Aufenthalt bis auf weiteres nicht zu verlassen«.

1940
Auf Befehl Himmlers beginnen die Deportationen ganzer Familien aus Deutschland in das besetzte Polen: »Der erste Transport von Zigeunern nach dem Generalgouvernement wird Mitte Mai in Stärke von 2.500 Personen […] in Marsch gesetzt werden.« In Lagern, später auch in Ghettos, müssen sie unter grausamen Bedingungen Zwangsarbeit leisten. Vielerorts unterliegen Sinti und Roma einer Kennzeichnung durch Sonderausweise oder Armbinden mit der Aufschrift »Z«.

1941
In der besetzten Sowjetunion und in den anderen besetzten Gebieten Ost- und Südosteuropas beginnen systematische Massenerschießungen von Roma. So meldet eine »Einsatzgruppe der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes der SS« von der Krim: »Zigeunerfrage bereinigt.« Aus dem österreichischen Burgenland werden etwa 5.000 Roma und Sinti in das Getto Litzmannstadt (Łódź) im besetzten Polen deportiert – über 600 von ihnen sterben dort. Die Überlebenden werden im Januar 1942 im Vernichtungslager Kulmhof (Chełmno) in Vergasungswagen ermordet.

1942
Nach einer Besprechung mit Reichspropagandaminister Joseph Goebbels über die Auslieferung von Justizgefangenen an die SS protokolliert Reichsjustizminister Otto Georg Thierack, dass »Juden und Zigeuner schlechthin […] vernichtet werden sollen. Der Gedanke der Vernichtung durch Arbeit sei der beste«.

1943
Auf der Grundlage eines Erlasses von Heinrich Himmler vom 16. Dezember 1942 beginnen ab Februar die Deportationen von rund 23.000 Sinti und Roma aus fast ganz Europa. Ziel der Transporte ist ein von der SS als »Zigeunerlager« bezeichneter Abschnitt von Auschwitz-Birkenau. Innerhalb weniger Monate sterben die meisten von ihnen an Hunger, Seuchen oder durch Gewalttaten der SS. Den Experimenten des dortigen SS-Lagerarztes Josef Mengele fallen zahlreiche Kinder zum Opfer.

1944
Am 16. Mai leisten viele der im »Zigeunerlager« in Auschwitz noch lebenden 6.000 Gefangenen Widerstand gegen ihre drohende Ermordung. Etwa die Hälfte von ihnen wird zur Zwangsarbeit in andere Konzentrationslager deportiert. Die letzten 2.897 Überlebenden – meist Kinder, Frauen und Alte – werden in der Nacht vom 2. auf den 3. August in den Gaskammern ermordet.

1945
Die Anzahl der als »Zigeuner« verfolgten Menschen, die im nationalsozialistischen Herrschaftsbereich dem Völkermord zum Opfer fielen, wird sich wohl nie genau bestimmen lassen. Schätzungen reichen bis zu 500.000 ermordeten Männern, Frauen und Kindern.

»Den Sinti und Roma ist durch die NS-Diktatur schweres Unrecht zugefügt worden. Sie wurden aus rassischen Gründen verfolgt […]. Diese Verbrechen haben den Tatbestand des Völkermords erfüllt.«

»Der Völkermord an den Sinti und Roma ist aus dem gleichen Motiv des Rassenwahns, mit dem gleichen Vorsatz und dem gleichen Willen zur planmäßigen und endgültigen Vernichtung durchgeführt worden wie der an den Juden. Sie wurden im gesamten Einflussbereich der Nationalsozialisten systematisch und familienweise vom Kleinkind bis zum Greis ermordet.«

Am 24. Oktober 2012 fand in Berlin die feierliche Einweihung des Denkmals für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas statt. An der Zeremonie am Rande des Tiergartens gegenüber dem Reichstag nahmen neben Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel auch Bundespräsident Joachim Gauck und Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert teil.

Die einzelnen Redebeiträge sind hier nachzulesen: Bundeskanzlerin Angela Merkel, Kulturstaatsminister Bernd Neumann, Architekt Dani Karavan, Vorsitzender des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma Romani Rose, Überlebender Zoni Weisz.

Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma und die Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas luden am  24. Oktober 2022 zum Festakt anlässlich des zehnten Jahrestages der Übergabe des Denkmals an die Öffentlichkeit und zur Eröffnung der ergänzenden Freiluftausstellung ein. Die neue Ausstellung wurde von der Stiftung Denkmal kuratiert und nach einem künstlerischen Entwurf von Dani Karavan umgesetzt.

 

Publikationen zum Denkmal

Angebote für Besucher

Besucherzahlen 2022

2022 Besucherzahlen Sinti-und-Roma-Denkmal pro Monat deu en

Initiativen und Partner

Barrierefreiheit und Besucherordnung

Das Denkmal ist Tag und Nacht frei zugänglich. Der Zugang zum Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma ist weitestgehend barrierefrei.

Besucherordnung

  • Sie betreten einen Ort des Gedenkens. Bitte respektieren Sie das Anliegen und die Menschen, für welche dieses Denkmal geschaffen wurde.
  • Sprechen Sie bitte leise.
  • Der schwarze Wasserspiegel soll den Himmel reflektieren, steigen Sie deshalb bitte nicht in das Becken, werfen Sie keine Münzen und andere Gegenstände hinein.
  • Auch politische Demonstrationen, Flaggen oder andere Symbole stören das Andenken, ebenso Betteln, Rauchen, Grillen und der Genuss alkoholischer Getränke oder jegliche sportliche Aktivität.
  • Der Besuch des Denkmals erfolgt ganzjährig auf eigene Gefahr.
  • Foto- oder Filmaufnahmen für Publikationszwecke können über die Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas (presse@stiftung-denkmal.de) genehmigt werden.